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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Verbindungstür zwischen den beiden Räumen abzuschließen – da war eine Mauer zwischen den beiden Räumen und eine |571| Schranke zwischen den beiden Menschen. Aufgerichtet von Christiane. Die war höher und fester als jede Scheidewand und jede Holztür.
    Am ersten Abend konnte Gäntschow vielleicht noch den Versuch machen, nach kurzem Anklopfen zu einem kleinen Besuch bei ihr einzutreten. Aber Christiane hatte da nun so eine verfluchte Art, ihn ganz ehrlich erstaunt anzusehen und ihn aufzufordern, Platz zu nehmen, und sich nach seinen Wünschen zu erkundigen – nun gut, er blieb keine fünf Minuten und kam unaufgefordert nicht wieder.
    Aber das schlimmste war vielleicht, daß am Abend ihrer Ankunft ein ältliches Mädchen eintraf, mit einem scharfen Vogelgesicht und dünnem Haar, von Christiane Berta und du genannt, das nun die gnädige Frau betreute – und daß er sich bestimmt zu erinnern glaubte, diese Berta schon auf Schloß Fidde gesehen zu haben, und das nicht unter angenehmen Umständen. Als er aber bei Christiane vorsichtig deswegen anklopfte, denn von dem alten Reibeisen war keinerlei Auskunft zu erlangen und es kniff seine schmalen, dünnen Lippen nur immer fester zusammen und behandelte ihn überhaupt mit jener mitleidigen Verachtung, die alle Frauen (Christiane ausgenommen) den Männern gegenüber vor einem solchen Ereignis anzunehmen schienen – als er sich also bei Christiane nach dieser Berta erkundigte, da nickte sie wie ganz selbstverständlich mit dem Kopf und sagte: Ja, Stupps hat daran gedacht, sie mir zu schicken.
    Alle schienen an alles gedacht zu haben und er allein an gar nichts. Er war in einer solch verwirrten und gereizten Stimmung. Immerzu geschahen Dinge, und sie betrafen alle die Geburt seines Kindes, und er wußte gar nichts und erfuhr alles nur durch Zufall. Er erfuhr durch Zufall – Christiane erwähnte es ganz beiläufig –, daß sie bei einer Ärztin wegen der Geburt gewesen war. Schon zwei- oder dreimal war sie von Haases aus dort gewesen, und sie hatte ihm kein Wort darüber geschrieben! Es ist alles in Ordnung, mein Freund, sagte sie nachdenklich und sah irritierenderweise |572| auf seine Augenbrauen und nicht in seine Augen, nein, es ist alles in bester Ordnung, und du brauchst dir nicht die geringsten Gedanken zu machen.
    Das aber war es ja gerade, was er wollte. Er wollte sich Gedanken machen, er wollte dabeisein, und so gab er zu bedenken, ob nicht ein Arzt vielleicht doch besser sei. Er wolle nichts gegen Frauen als Ärztinnen sagen, als Kinderärztinnen könnte er sie sich ganz vorzüglich vorstellen, aber als Geburtshelferin … Es gehöre doch einfach schon eine gewisse Portion körperliche Kraft dazu, wie er wenigstens gehört hätte …
    Christiane aber fing einfach an zu lachen. Und sie belehrte ihn, daß Frau Dr. Säule so etwas wie eine Prominenz sei und schon über viertausend Kinder geholt habe. Da er aber so skeptisch sei, solle er morgen früh um neun zu ihr gehen, mit einem Fläschchen Urin zur Untersuchung, und vielleicht werde er sie da selbst kennenlernen. Sie sei überhaupt die herrlichste Frau von der Welt, eine Schwäbin, bald schon siebzig …
    Und wenn ich jemals zu einem Menschen Vertrauen gehabt habe, so zu ihr. Und ich werde mein ganzes Leben lang blindlings tun, was sie verlangt.
    Am nächsten Morgen aber, als er noch schlief, kam die Berta einfach in sein Zimmer und stellte das Fläschchen, schon in weißes Papier gewickelt, auf seinen Nachttisch und weckte ihn auf. Sie sagte, es sei jetzt aber die höchste Zeit zu dem Weg, wenn er Frau Doktor noch antreffen wolle. Und an Rasieren und vorher Frühstücken war kein Gedanke mehr.
    Gäntschow zog sich hastig an und machte sich auf den Weg. Er dachte ärgerlich und fröstelnd darüber nach, daß dieses Biest, die Berta, ihn mit einem so deutlichen Vorwurf behandle, als sei er an allem und allem in der Welt schuld. Und dann dachte er ebenso ärgerlich an diesen für eine Frauenärztin und Geburtshelferin besonders lächerlichen Namen Säule. Und dann dachte er, daß es in keiner Weise wünschenswert sei, daß seine Geburt als eine einfache Nummer |573| zwischen viertausend und fünftausend stattfinde. Bei solchem Massenbetrieb könne es nichts Besseres sein als etwas aus dem Dutzend.
    In dem großen Mietshaus aber bat ihn der Portier mit einer gewissen Beflissenheit in den Fahrstuhl, als er den Namen Frau Doktor Säule nannte, und eine ganz weiß gekleidete Schwester führte ihn in ein

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