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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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säuerlichen Mosel und verbot allen Whisky und Kognak.
    Auch das hatte sich geändert: er war nicht mehr gegen Trinken, gegen allen Alkohol, aber er war immer noch gegen Betrunkensein. Hatte er genug, dann verabschiedete er sich, die Stimmung mochte sein, wie sie wollte, und fest mit seinem |580| ländlichen Krückstock aufstoßend, ging er heim in die Pension, schloß leise sein Zimmer auf und zog sich leise aus. Kaum aber lag er in dem Bett, so kam die tiefe, satte, dunkle Schlaftrunkenheit des Alkohols über ihn, und er schlief ein und wachte nicht eher auf, als bis die mürrische Berta zur Frühstückszeit gegen seine Tür pochte.
    Einmal aber mitten in der Nacht wachte er doch auf, und sein Zimmer war hell, und mitten in seinem Zimmer stand Christiane in ihrem schwarzen Kimono mit den silbernen Reihern. Sie hatte einen verwirrten, ein wenig hilflosen Ausdruck im Gesicht. Und mit dem gleichen Ausdruck in den Augen sah sie ihn an, der sich im Bett hochrichtete.
    Ist etwas, Tia? fragte er, ist es soweit?
    Und er nahm die Beine über die Bettkante.
    Nein, nein, sagte sie, bleib nur ruhig liegen, Hannes. Mir war nur ein wenig unruhig.
    Sie sah ihn wieder nachdenklich an. Die Hilflosigkeit war aus ihrem Gesicht geschwunden, ein fast zärtlicher Schimmer lag über ihr …
    Eine Weile war es still zwischen ihnen.
    Wie es stürmt, sagte sie dann und sah zusammenschaudernd hinter sich nach dem Fenster.
    Soll ich nicht doch die Ärztin rufen? fragte er zweifelnd.
    Nein, nein, sagte sie, schlaf schön. Es ist alles wieder vorbei. Und ich lege mich jetzt auch wieder. Gute Nacht.
    Sie schaltete das Licht an der Tür aus. Dann schloß sie die Tür. Er hörte drüben das Bett aufseufzen unter ihr, legte sich auf die Seite und schlief von neuem ein.
    Er wachte davon auf, daß sie ihn anrief.
    Durch die Stäbe der Jalousien drang schon das späte, graue Morgenlicht, die Deckenlampe brannte fahl. Aber nicht davon sah ihr Gesicht so grau aus.
    Wache auf, mein Freund, sagte sie. Es ist soweit.
    Er war sofort aus dem Bett. Ja, gleich, sagte er aufgeregt. Soll ich nicht nach Berta klingeln, daß sie anruft? Ich besorge unterdes das Auto.
    |581| Nein, sagte Christiane und versuchte zu lächeln. So weit ist es nun doch nicht. Du kannst Schwester Erna anrufen, daß sie heute früh hier vorbeikommt.
    Während er sich schweigend und hastig anzog, hatte sie sich in den großen Sessel gesetzt und häkelte wieder an dem weichen, wolligen Ding.
    Willst du wirklich noch nicht weg? Kann ich sonst nichts für dich tun?
    Schwester Erna, sagte sie nur.
    Er war fertig mit Anziehen. Also ich laufe nur rasch hinüber zur Telefonzentrale. Ich bin gleich wieder da, sagte er und sah sie prüfend an.
    Sie stand schwerfällig auf und kam auf ihn zu. Ihr Gesicht trug einen seltsamen Ausdruck. Sie ging ganz dicht an ihn heran.
    Plötzlich schlang sie wortlos beide Arme um seinen Hals, sie legte den gesenkten Kopf an seine Brust, sie schmiegte sich ganz an ihn. Er sah mit einem hilflosen Gefühl auf ihren dunklen Scheitel, seine Augen fingen an zu brennen. Er fühlte, daß sie Schmerzen hatte. Stärker als je überkam ihn das Schuldbewußtsein, aber auch er sprach nichts.
    So standen sie eine Weile.
    Ach, sagte sie leise. Und noch einmal: Ach!
    Dann löste sie sich langsam und zart von ihm. Sie sah ihn an, sie sagte: Du mußt nicht glauben, daß ich Furcht habe.
Davor
habe ich keine Furcht. Sie sah ihn wieder ernst an. Er erwiderte den Blick, er hätte gerne etwas gesagt.
    Sie setzte sich, nahm wieder die Häkelei auf.
    Telefoniere jetzt, sagte sie. Aber nur mit Schwester Erna. Er ging langsam, auf sie zurückschauend, sie sah auf ihre Arbeit. Er war drei Meter auf dem Gang, da hörte er einen Ruf aus dem Zimmer, mit einer hohen, schneidenden Stimme hatte sie: O mein Gott! gerufen.
    Er stürzte zurück. Sie saß da mit zusammengepreßten Lippen und sah ihn böse an. Sie machte eine fortweisende, ungeduldige Gebärde, wie er sie nie an ihr gesehen.
    |582| Er stürzte fort zum Telefon.
    Als er zurückkam mit der Botschaft, die Hebammenschwester werde in einer Viertelstunde hier sein, war sie in ihr Zimmer übergesiedelt. Das ältliche Stubenmädchen und das Fidder Mädchen Berta waren bei ihr. Christiane ging mit vorsichtigen, langen Schritten im Zimmer auf und ab. Das Stubenmädchen ordnete das Bett, Berta hatte die Fenster geöffnet, durch die ein Strom kalter, klarer Winterluft eindrang.
    Es ist recht, sagte Christiane auf seine Botschaft, es ist gut.
    Und

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