Wir hatten mal ein Kind
der einzig Ruhige der Kapitän Düllmann. Als der gehört hatte, seine Kiste sei weg, und begriffen hatte und darüber nachgedacht hatte, da sagte er nur: Die Kiste? Laß sie sausen! Ick heff joa den Slötel! (Schlüssel.)
Und dabei blieb er.
Bei den Gäntschows aber erschien eines Morgens der Gendarm, Fuß langsam vor Fuß setzend, denn die alte Brommen, gichtiger denn je, war in seiner Begleitung, und er eröffnete dem Ehepaar Gäntschow, der Brommen sei ein Gerücht zu Ohren gekommen, die Seemannskiste des Kaptein Düllmann solle gestohlen sein. Es sei aber nicht an dem, sondern die Seemannskiste sei wohl aufgehoben in des Besitzers Händen. Oh, wie sperrten die beiden Gäntschows Mund, Nase und Ohren auf, es war, als glotzten sie fassungslos aus allen Körperöffnungen.
Ehe sie aber noch vom Beschaulichen zum Handelnden übergingen, tat die Zunge der alten Brommen einen Schlag und dann fing sie an zu laufen. Und sie berichtete von dem guten alten Papa und seiner schweren Krankheit und der grausigen Pflege, wo er doch immer gehustet hätte, daß man gemeint hätte, nun fliege ihm die Seele aus dem Leibe, und acht Nächte sei nicht zu schlafen gewesen vor solchem Husten …
|71| Aber in der neunten Nacht, da hat der liebe alte Kaptein die Augen aufgemacht und hat recht lieblich rot ausgesehen und hat mich gut angeschaut und hat mich freundlich gefragt: Olsch, Brommen, bist du das? Und als ich geantwortet habe: Kaptein, jawohl, an Bord, und die Witfrau vom Maurer Brommen dazu – da hat er gelächelt und hat gesagt: Keiner hat sich meiner erbarmt, aber du hast dich meiner erbarmt, als ich in den Banden des Todes lag, und also will ich mich auch deiner erbarmen. Rück die Kiste her! – Und Gott hat sich meiner erbarmt und hat mir die Kraft verliehen und ich elender Wurm habe die Kiste vor sein Bett gerückt und er hat gesagt: Schließ die Kiste auf, Olsch, Brommen. Und er hat mir den Schlüssel gegeben und ich habe die Kiste aufgeschlossen und er hat mir alles gezeigt, was er von seinen vielen wilden und weiten Meeresfahrten heimgebracht hat, und dann hat er gesagt: Olsch, Brommen, schließ die Kiste wieder zu.
Und ich habe die Kiste wieder zugeschlossen und er hat sich den Schlüssel wiedergeben lassen und hat zu mir gesagt: Olsch, Brommen, der Mensch ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Und du nippelst gerne einen. Darum wenn ich dir jetzt schon alles schenken würde, würdest du vielleicht nachlassen in deiner huldvollen Pflege, doch die Kiste schenke ich dir. Und wenn ich zu Johanni unter den Lindenbäumen bei meines Schwiegersohnes Tür sitze, dann sollst du zu mir kommen, und ich will dir auch den Schlüssel zu der Kiste geben.
Und er ist zurückgefallen in seine Kissen und eingeschlafen und kein Fieber mehr, nur ein gesunder Schweiß. Und Gott ist gnädig gewesen und ich habe die Kiste weggeschafft an einen sicheren Ort, und weil gestern Johanni gewesen ist, und ich habe das Gerede im Dorf gehört vom Gestohlenen, aber es ist nicht so, und das nehme ich auf meinen Eid, rechts wie links, da bin ich mit dem Gendarmen her, und ich habe das feste Zuvertrauen, der Kapitän wird sich meiner erbarmen und mir den Schlüssel geben, wie er mir versprochen hat in der neunten Nacht, wo der gelinde Schweiß kam …
|72| War es aber vorher Geplärr und Geschrei gewesen, so ging es nun los mit Drohungen und Gebrüll. Die alte Brommen rabbelte unverzagt immer dagegen an. Gar nichts half es, daß man den olen Kaptein Düllmann dazuholte, der griente nur und sagte wieder seinen Spruch, daß er ja den Schlüssel habe, und wenn ihn der Gendarm auch hart befragte, wie es denn stehe um die Behauptungen der Frau Brommen, ob ja oder nein: er lächelte fernhin und himmelblau – wie ein toter Dorsch, sagte sein Schwiegersohn – und meinte, es werde sich schon alles weisen, alles zu seiner Zeit, den Schlüssel habe er.
Es gingen aber keine zehn Wochen ins Land, da fuhren beide Parteien nach Bergen aufs Amtsgericht, Kapitän Düllmann mit Tochter Hete und Schwiegersohn Gäntschow, ganz allein aber die Brommen, gichtig, krumm und uralt, aber mit ihrer Zunge. Die Kiste indessen, vom Gendarmen bei der Witfrau in einem verlassenen Schweinekoben unter Stroh aufgestöbert und sichergestellt, war bereits an Gerichtsstelle vorausgereist.
Da stand sie nun, schwärzlich und schmuddelig vor ungeheurem Alter und Weltbefahrenheit, aber die gezackten Eisenbänder sahen noch immer sehr solide aus und das Schlüsselloch war groß, tief
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