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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ziehen (das so gut zu vermieten war!), wo er drei verheiratete Töchter hatte! Großvadding hatte nun die Wahl, und daß er die Wahl hatte zwischen allen dreien, das machte neben dem Häuschen die feste, altersbraune Seemannskiste mit Eisenbändern und einem großmächtigen Schloß, wie es heutzutage gar keins mehr gibt. Über den Inhalt dieser Seemannskiste gingen die tollsten Gerüchte, goldene Münzen in Säcken, Brillanten und Edelgestein in Beutelchen, goldene Ringe und Bänder, ja ganze Barren – das war das mindeste, das von dieser Kiste, die nie einer offen gesehen hatte, gefabelt wurde. Und nicht nur von den Kindern, die dem ollen Kapitän Düllmann nachsagten, er habe Störtebekers alten Schatz gefunden und alle Matrosen nach und nach erschlagen, die ihm beim Ausbuddeln geholfen. (Daher die schwarze Wolke.)
    Nun war Malte Gäntschow ein sehr nüchterner Mann, und er glaubte weder an den Klaus Störtebeker, noch an Barren und Edelgestein. Aber er stellte eine kleine Rechnung auf, was sein Schwiegervater wohl in den dreißig Jahren, die er als Steuermann und Kapitän gefahren war, verdient und zurückgelegt haben konnte. Und da Kapitän Düllmann vieles nachzusagen war, aber keine Unmäßigkeit, keine Verschwendungssucht, keine Weibergeschichten – so kam Malte Gäntschow bei dieser Rechnung auf einen hübschen Batzen. Da aber der Schwiegersohn weiter wußte, daß Kapitän Düllmann ein Feind aller neumodischen Einrichtungen war, ob sie nun Sparkassen, Pfandbriefe oder sonstwie hießen –, wo sollte da also das viele schöne Geld sein als in der Kiste?
    Und indes die drei Töchter noch eifrig debattierten, welche von ihnen Vadding zu sich nehmen sollte, und die Schwiegersöhne sich im Preise ihrer guten Hauskost und |69| warmen, sonnigen Stuben überboten, spannte Malte Gäntschow einfach seinen Fuchs vor die Kutschkalesche, und als Kapitän Düllmann halbwegs zwischen Dreege und Kirchdorf aus der Tüte kam, da saß er neben seinem Schwiegersohn Gäntschow auf dem Wagenstuhl, die Schienbeine rieben sich an den Eisenbändern der Schiffskiste, und hintenauf waren all die schönen Mettwürste, Buttertöpfe, Schwartenmägen und Rollschinken geladen, die die liebenden Kinder Vadding zum Beweise ihrer guten Kost verehrt hatten.
    So war Kapitän Düllmann auf den Gäntschowschen Hof gekommen, und da er von sich aus so leicht nichts an einem einmal bestehenden Zustande änderte, so blieb er auch erst einmal da.
    Es begab sich aber nun im vierten Jahre seines Aufenthaltes auf dem Warderhofe, daß Kapitän Düllmann eine Lungenentzündung bekam. Wo er sie aufgesammelt hatte, der abgehärtete, durchgepustete alte Seebär, das wußte keiner, er auch nicht. Boshafte behaupteten, grade als Düllmann vor einem Gewitterguß ins Haus habe treten wollen, sei eine schwarze Wolke über seine Seele gezogen, und so sei er da stehengeblieben, die Klinke schon in der Hand, im schönsten Pladdern, unter der Traufe des Dachs und unter der Traufe des Gewitters, zehn Minuten, fünfzehn Minuten, zwanzig Minuten, zweiundzwanzig Minuten. Da war die Wolke vorbei, und Kapitän Düllmann drückte auf die Klinke und ging ins Haus, klatschnaß und zitternd vom Kopf bis zu den Zehen.
    Natürlich war er auch grade zur ungeschicktesten Zeit krank geworden, zur Zeit, da jede Hand draußen zum Kartoffelstecken gebraucht wird, und da wirklich niemand zur Pflege abkommen konnte, so ließ man aus dem Dorf die alte Brommen holen. Die war zwar von der Gicht so zusammengezogen, daß sie so recht kein Glied mehr rühren konnte, außer der Zunge, die ging noch ganz fleißig. Viel zu tun hatte sie ja aber auch nicht, denn der Kranke lag meistens bewußtlos in hohem Fieber. Es saß eben jemand neben dem Bett, wie es sich schickte.
    |70| Gegen Erwarten wurde es mit Großvater Hanning wieder, die Brommen ging ins Dorf zurück, und Kapitän Düllmann saß, noch ein bißchen unsicher mit dem Kopfe wackelnd, auf der Bank vor dem Haus in der schönen Sommersonne. Die schwarzen Wolken aber kamen genauso wie vor der Krankheit, kamen und gingen wieder.
    Es dauerte noch eine ganze Weile, bis seine Tochter, die Hedwig, merkte, die Seemannskiste stand nicht mehr in Vaddings Kammer. Da ging nun aber ein Geplärre und Geschrei los, von dem die ganze Halbinsel Fiddichow widerhallte, und Frau Gäntschow saß den lieben langen Tag beim Landgendarmen und verlangte alle Stunde von ihm, er solle ihr den Dieb mit der Kiste herbeischaffen, sonst …!
    In dem ganzen Tumult blieb

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