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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Oben auf dem hochrädrigen Landwagen saß der Bullenberger, nur in Hemd und Hose. Losgefahren, wie er war, als ihm die Kinder aus der Schule die schlimme Kunde gebracht hatten. Die Leute traten stumm auseinander, als er vorfuhr. Heute gab es sogar genug Leute, die dem Einzelgänger das Pferd hielten, Wasser für das Tier holten und es mit einem Strohwisch abrieben – an Blut und Trauer kriechen die Menschen immer gern heran und freuen sich an dem Geruch.
    Dem Bullenberger sah man nichts an. Er sah finster aus, aber er sah immer finster aus; er sprach kein Wort, aber er sprach nie mit den Leuten ein Wort; er grüßte nicht, aber er grüßte nie jemanden.
    Er ging durch die Schwingtür in das Hotel und war weg für eine lange Zeit. Der Ober vom Strandhotel hat später erzählt, |188| wie der große, schwere, schwarze Mann lange vor dem Toten gestanden und ihn betrachtet hat ohne ein Wort, in einem Schritt Abstand, ohne die Miene zu verziehen.
    Der Landgendarm hat ihn zwei- oder dreimal aufgefordert, vor die Mordkommission zur Vernehmung zu kommen, aber das ist gewesen, als wenn er in eine Wand hinein redete.
    Als der Bullenberger aber lange genug den Toten betrachtet hatte, so daß er sicher war, das Bild saß unauslöschlich in ihm, ist er vor die Mordkommission gegangen, und sein Gesicht hat ebenso verschlossen ausgesehen wie das des Toten. Er hat sich ruhig den Befund angehört, hat auch alle verlangten Auskünfte ruhig gegeben und nur, als er gesagt hat, daß der Tote bei den Fiddichowern keinen Feind gehabt hätte, hat er etwas lauter gesprochen. Als die Herren aber mit ihm fertig waren und ihn fortschicken wollten, ist er stehengeblieben und hat verlangt, daß man den Gendarmen aus dem Zimmer schickte, er habe einen Antrag zu stellen. Man hat ihm schließlich seinen Willen getan, und da hat der Bullenberger beantragt, daß sofort, noch in dieser Stunde, die Karabiner aller Zollbeamten und Gendarmen untersucht würden: denn unter denen sitzt sein Feind und sein Mörder und nirgends sonst.
    Die Herren haben ihn ruhig angehört und sich nur manchmal angesehen, und dann hat der Amtsrichter Neumeister gesagt, es werde alles geschehen, was zur Aufklärung dieser fluchwürdigen Tat nötig sein würde. Und als der Bullenberger sich mit diesem Bescheide nicht zufriedengegeben und verlangt hat, die Untersuchung müsse sofort und in seiner Gegenwart gemacht werden, und alle Zollkutter, die auf Fahrt seien, müßten angehalten und durchsucht werden, da hat der Amtsrichter rasch und leise gesagt, daß die Kommission über seinen Antrag beschließen werde, aber seine Mitwirkung sei weder förderlich, noch zulässig, und er möge nach Haus gehen.
    Da hat der Bullenberger einen Trumpf darauf gesetzt und hat sich einen Stuhl genommen und sich an den Tisch der |189| Kommission gesetzt und erklärt, er gehe nicht eher von der Stelle, bis geschehen sei, was er verlangt habe.
    Die hatten gut reden und ihn vertrösten, und es sei alles in besten Händen, und er möge nur nach Haus gehen – er saß. Und sie mochten ihn bedrohen und auffordern und den Hotelier rufen und den von seinem Hausrecht Gebrauch machen lassen, der Bullenberger saß fest. Es half ihnen auch nichts, daß sie den Gendarmen riefen und Entfernung mit Gewalt befahlen, der Bullenberger sah den Gendarmen bloß an, und näher als zehn Zentimeter kam ihm des Gendarmen Hand nicht. Da wurde es dem Gendarmen unter dem Blick des Bullenbergers ungemütlich, und er sah die Herren hilfeflehend an. Die aber sahen ein, daß es der rabiate Mann ohne weiteres auf eine Schlägerei ankommen lassen würde, und da sie am Tatorte eigentlich fertig waren, stiegen sie nach geflüsterter Beratung in ihr Auto und ließen den Bullenberger allein sitzen. Da mußte der schon mit seinem Grauschimmel nach Haus fahren.
    Es ist peinlich für einen Landgendarmen, wenn er seiner vorgesetzten Behörde melden muß, daß ihm sein Karabiner aus der Wohnung gestohlen worden ist. Es ist noch peinlicher für ihn, wenn ihm sein Haus nachts abbrennt, und er muß mit Weib und Kind im Hemd auf die Straße flüchten. Dem Landgendarmen in Kirchdorf geschah beides, und das fröhliche Rot seiner Trinkerwangen verging ihm in diesen Tagen. Es war ja nicht schwer, mit dem Finger auf den Täter zu deuten: wer den Karabiner stiehlt und das Geld im Schranke liegen läßt, hat eine Art Visitenkarte abgegeben.
    Am nächsten Tage gab es natürlich Besuch auf dem Bullenberghof, drei Gendarmen kamen gleich auf einmal, aber

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