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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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mit aller Majestät sagen: Aber bitte in zwei Stunden zurück! Sie kamen, wann sie Lust hatten zurückzukommen, und das war genau dann, wenn sie todmüde waren. Wer sollte sie je finden? Hatten sie nicht ein Nest in der höchsten |181| Linde, in deren Laub sie nie ein Auge entdecken konnte? Gab es nicht für Regentage eine herrliche Gerümpelkammer oben auf dem Schloßboden, mit fünf Lagen alter Teppiche, daß man sich kugeln und balgen konnte, so viel man wollte, und kein Laut drang nach unten?
    Und die Nächte, die endlosen Sommernächte, wenn sie ausrissen beide, und Christiane kam angeflitzt in einem schwarzen Pyjama, und sie stiegen ein in den Superintendentengarten und aßen dem alten Marder seine Klaräpfel weg und machten ihn am nächsten Tag noch scheinheilig auf den Dieb aufmerksam!
    Aber am nächsten Tage verführten sie Müller Dittmanns große Dogge mit Wurst und sperrten sie in den Superintendentengarten, und Superintendent Marder hatte eine böse Stunde im Geäst seines eigenen Klarapfelbaums zuzubringen, bis ihn mitleidige Passanten von dem zähnebleckenden Wächter erretteten.
    Zweifelsohne Regeln und Ausnahmen. Zweiter Aorist und heile Büxen, Druckpapier und Naturfremdheit – aber ein freies, wildes Räuberleben vor allem! Christiane, Christa, Tia, seine Freundin durch dick und dünn, Freiin von Fidde und Johannes Gäntschow. Wie war es gewesen, als beim Nachbarn Peplow der Blitz in den Stall einschlug und gleich zündete? Wer hatte die Leute wach geschrien? Wer das erste Vieh aus dem brennenden Stall geholt? Freilich nachher, als sie von dem Prasseln der Flammen, dem Geschrei der Leute, dem Geblöke des Viehs verdreht geworden waren, als die Männer schon anfingen, die Möbel aus dem bedrohten Wohnhaus zu tragen, da waren die beiden in die Milchkammer gestürzt, um weiter zu retten, und tönerne Milchsatte auf tönerne Milchsatte hatten sie im hohen Bogen aus den Fenstern geschmissen, daß sie draußen zerklirrten, während sie bis zu den Knöcheln in Milch und Sahne wateten. Welche Beschämung damals, als ein dummer, wackelköpfiger Häusler schreiend und zeternd ob ihres hirnverbrannten Tuns sie aus dem Hause jagte!
    |182| Aber das andere Mal hatte doch die ganze Halbinsel über ihren Streich gelacht, als sie der Kirchdorfer Kleinbahnlokomotive den Schornstein klauten in der Nacht – wie hatten sie geschwitzt, die alten, verrosteten Muttern loszukriegen! Und einen Tag lang fuhr die Kleinbahn nicht, bis sich der Schornstein wieder anfand, eingebaut als Trichter in das Herzhäuschen des schneidigen Stationsvorstehers.
    O ja, sie wurden bekannt auf der Insel, sie hießen die Gäntschows oder die Grafen, die Leute lachten über sie oder schimpften, daß der Landgendarm nicht schärfer zugriffe, je nach Lage des Falls. Das Leben war ein bunter, unaufhörlicher Wirbel von Einfällen, irrsinniger Arbeit (nicht für den Superintendenten) und wilder Freiheit. Tia hätte so etwas nie für möglich gehalten. Sicher kam auch der Papa zu kurz, aber es war herrlich! Übrigens lächelte der Papa und meinte nur manchmal, man sehe es wieder einmal: Bauer-Gäntschows seien zehnmal exklusiver als die exklusivsten Aristokraten. Keine Scheu vor Gerede, nicht die Bohne Konvention, ich bin ich, und wenn es euch nicht paßt, so bin ich noch lange ich. Ich, Johannes Gäntschow. GÄNTSCHOW!
    Und wenn Mademoiselle und Miss zehnmal, hundertmal zu ihm gejammert kamen und über die Verrohung Christianes, ihre Unweiblichkeit, ihre ungepflegten Hände klagten, der Graf lächelte nur. Er sagte ihnen zehnmal, hundertmal, daß das, was sie Manieren nannten, in einem Vierteljahr zu erlernen sei, daß man gepflegte Hände in vier Wochen haben könnte, daß aber das, was Christiane jetzt lernte, im ganzen Leben nicht mehr zu erlernen sei. Stadt läßt sich lernen, mit Zwanzig noch, mit Dreißig, Land nie … Ich hab’s nie gelernt. Leider, leider.
    Und wenn dann die energische Mademoiselle andeutete (während die Miss zum Fenster hinaussah), daß es immerhin nicht unbedenklich sei, zwei verschiedene junge Menschen, Sie verstehen, Herr Graf, also Junge und Mädchen, und immer unbeaufsichtigt, und sie wachsen doch heran … Der Graf Fidde schüttelte wieder lächelnd den Kopf.
    |183| Keine Spur, sagte er. Wir Fiddes heiraten immer dumm.
    Nun hatte Mademoiselle eigentlich nicht gerade das Heiraten gemeint, aber sollte man weiter in ihn dringen? Dieser Mann steckt voll Theorien, sage ich Ihnen, Miss Price. Soviel Ahnung vom Leben

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