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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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hilft er ihr ein bißchen beim Abnehmen der Kiepe, und da er ein kräftiger Mann, sie aber ein altes Weiblein ist, hilft er ihr so, daß sie sich gleich neben ihren Korb setzt.
    Nun ja, Ziegenfutter ist wirklich darin, aber es sind fein säuberlich abgeschnittene Zuckerrübenköpfe, und das ist eine Gemeinheit! Denn die jetzt im Sommer geköpften Zuckerrüben wachsen nicht mehr weiter, sondern gehen jämmerlich ein. Es ist eine ganze Menge über solch schändlich geköpfte Zuckerrüben vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus zu sagen. Und da Wilhelm ein alter, erfahrener Gendarm ist, weiß er alles aus dem Kopf, was da zu sagen ist, und er sagt es ihr auch, während sie gemeinsam den Weg nach Fidde einschlagen. Denn der Fidder Graf ist der einzige, der auf Fiddichow Zuckerrüben anbaut, und vor seinem Kuhstall soll sie daher auch die gestohlenen Rübenköpfe abladen.
    Aber nachdem er ein wenig von ihrer verdammten Frechheit gesprochen hat, im Julimond, wo an jedem Straßengraben wahrhaftig genug Ziegenfutter wächst, Zuckerrüben zu köpfen, hat die Machulken sich wohl mit ihrem Schicksal abgefunden und fängt nun selbst an zu reden, und zwar mitten in seine neuerlichen Überlegungen und Grübeleien hinein.
    Es sei ja schön, meinte sie beispielsweise, wenn man selber Kinder habe. Aber daß man darum mit anderer Leute Kindern umgehen könne, sei noch nicht gesagt. Auf dem Bullenberge solle ja einer ein Kind über das heiße Herdfeuerloch mit dem nackten Hintern gehalten haben – aber manche Kinder möchten eben ihren Vater, und dann sagten sie nichts, auch wenn er |195| ein Verbrecher ist. Und manche möchten ihren nicht, ja eben, ihren nicht.
    Sie solle die Schnauze halten, meinte der Gendarm und wußte plötzlich, welcher Zahn ihm wehtat. Ihr Giftmaul sei weit bekannt. Sonst könnte sie mal etwas erleben.
    Ja, freilich, aber sie habe schon genug erlebt, und der Weg hier sei ja auch einsam genug. Freilich habe sie es in ihrem langen Leben noch nicht gehabt, daß man sie durch den heißen Sommernachmittag wegen ein paar Rübenblättern zwei Stunden weit schleppe. Aber man würde eben nie zu alt, noch etwas dazuzulernen …
    Sie solle ihre Sabbelei lassen …
    Nun, ein Gesetz gäbe es wohl nicht, das ihr den Mund verbieten könne, und sie habe den Herrn Gendarmen nicht gebeten, mit ihr zu gehen. Aber so einsam wie der Strand von Fabiansruh sei dieser Weg noch lange nicht, wenn es mancher auch gern möchte … Hier war der Moment, wo der Gendarm wußte, ihm tat nicht nur ein Zahn weh, ihm taten zwei weh, drei, vielleicht alle. Und er stellte sich vor die Frau hin, er sah sie starr an mit seinen ausdruckslosen, wasserblauen Augen, und er sagte zu ihr: Wenn du jetzt noch ein Wort redest, Machulken! Wenn du das schon von mir glaubst, der ich vierzehn Jahre hier bei euch Dienst gemacht und mir nie was habe zuschulden kommen lassen, dann kannst du sicher sein, ich kann dich hier auch mit meinen eigenen Händen … Er war ganz sinnlos vor Zorn und Verzweiflung. Die letzten Tage waren zu viel für ihn gewesen. Er war zu sehr gekränkt.
    Jetzt können Sie mir gar nichts mehr wollen, Herr Landgendarm, sagte die Alte höhnisch, da kommt die junge Gräfin und Gäntschows Johannes.
    Der Landgendarm sah sich um, und da kamen sie wirklich beide von Fidde her.
    Tag, Mutter Machulke, Tag Herr Wilhelm, sagten sie und wollten vorübergehen.
    Ach, liebes Fräulein Gräfin, fing die Machulke weinerlich an.
    |196| Jetzt sind Sie stille, sagte der Gendarm und meldete, die Hand am Mützenrand, der Christiane: Melde gehorsamst, daß ich die Witwe Machulke mit einer Kiepe voll abgeschnittener Zuckerrübenköpfe erwischt habe. Ich wollte sie eben nach Fidde bringen.
    Ach, liebes Fräulein, ach Hannes, was meine Liese ist, die Ziege …
    Du bist das also, sagte Johannes wütend, den ganzen Feuchten Grund, wo die besten Rüben stehen, hast du schon geköpft! Es ist eine Schande von dir und eine Gemeinheit … Und es war bestimmt das erste Mal, und wo ich nichts von dem Ackerbau verstehe, weil mein Alter doch Maurer gewesen ist. Und wenn der Gendarm sagt, ich habe den ganzen nassen Grund geblattet …
    Das habe
ich
gesagt, erklärt Johannes.
    Unbeirrt fuhr die Alte fort: Dem glaubt ja doch keiner mehr was auf der ganzen Insel.
    Machulken, sagte der Gendarm drohend.
    Und wenn Sie auch auf einem Schloß wohnen, das haben Sie ja wohl gehört, daß der Bullenberger … Und wenn er hundertmal ein wüster Räuber ist, seine Kinder liebt man und

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