Wir in drei Worten
zum Rückzug anschicke, sehe ich nur ein paar Meter entfernt bei Costa Coffee einen Schopf mit Korkenzieherlocken. Aha! Ich lasse mir nicht die Zeit, nervös zu werden.
»Zoe!«, rufe ich und marschiere schnurstracks auf sie zu.
Sie sieht mich an, überrascht, aber nicht erschrocken oder gar ängstlich, und stellt den geblümten Trolley aus Vinyl ab, den sie hinter sich herzieht.
»Hallo, Rachel!« Ihr Tonfall ist höflich und schicksalsergeben, so als wäre ich die alte Hexe von drei Türen weiter, die ständig darauf dringt, eine Nachbarschaftswache zu gründen.
Ich hole tief Luft. »Nur eine Frage – wie konntest du?«
»Ach, weißt du, tut mich echt leid. Die
Mail
wollte es nicht so bald bringen, aber etwas anderes ist in letzter Minute rausgefallen, und da sie das Material schon hatten … Ich wollte dich noch vorwarnen.«
»Das habe ich an den vielen Malen gemerkt, die du am Samstagabend versucht hast, mich zu erreichen. Was genau wolltest du mir denn sagen? Sorry, dass ich dich so richtig in die Scheiße geritten habe, doch die Gelegenheit war einfach zu günstig?«
Zoe gibt ein Geräusch von sich, das sowohl ein Schnauben als auch ein entnervtes Seufzen sein kann. »Du wolltest die Story nicht machen, und du hast selbst gesagt, dass sie gut ist.«
Ich hoffe, dass sich keine Kollegen in der Nähe herumtreiben, da sich diese Auseinandersetzung andernfalls zum Inbegriff eines Pyrrhussiegs entwickeln dürfte.
»So gut, dass ich dafür gefeuert werde.«
»Die geben doch nicht etwa dir die Schuld?«, entgegnet Zoe, als könne sie kein Wässerlein trüben. »Ich habe niemandem gesagt, dass du die SMS gelesen hast, Ehrenwort.«
»Herzlichen Dank aber auch«, schleudere ich ihr trotz meiner Erleichterung entgegen. »Ist es dir denn egal, was du Natalie damit antust? Oder Jonathan?«
»Der untreuen Frau eines Verbrechers und ihrem Lover? Nein, das interessiert mich eigentlich nicht.«
»Tja, ich hoffe, dass es der Fünfundzwanzig-Riesen-Job bei der überregionalen Zeitung wert ist, dass du dafür all die Leute niedergetrampelt hast. Es war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen.«
»Du warst wirklich nett zu mir. Tut mir leid, dass es so gekommen ist.«
»Ja, mir tut es auch leid, dass ich nett zu dir war.«
Erst jetzt fällt mir auf, dass Zoe die toten Augen einer auf den Müll geworfenen Stoffpuppe hat.
»Ich weiß, dass du es nicht wolltest, aber schließlich hattest du auch deine Finger im Spiel.«
»Wie bitte?«
»Warum hast du die SMS gelesen, Rachel? Warum hast du dir die Nummer notiert? Du hattest den richtigen Instinkt und wolltest der Sache nachgehen. Doch dann hast du kalte Füße gekriegt und mir die Infos zugespielt.«
»So hast du es dir also zurechtgebogen, um dein Gewissen zu beruhigen? Dass ich es unbewusst darauf angelegt habe?«
Noch während ich das ausspreche, kommen mir tatsächlich Zweifel.
»Wenn man sich für eine Story nicht interessiert, ist so ein Verhalten doch komisch. Ich verstehe ja, warum du sauer bist, aber du bist auch nicht ganz ehrlich mit dir selbst.«
Ich spüre, wie mein Blutdruck sprunghaft ansteigt. Sie besitzt nicht einmal den Anstand, auch nur die Spur von Schuldbewusstsein zu zeigen. Es kommt mir so vor, als hätte ich mit Simon die Rollen getauscht.
»Ich habe dir nichts zugespielt, sondern mit dir geredet, weil ich dachte, dass ich dir vertrauen kann.«
Kurz schweigt sie schmollend, damit ich sie endlich in Ruhe lasse.
»Ich habe nur etwas verwendet, das du nicht haben wolltest. Wie wenn man im Müll anderer Leute wühlt.«
»Wenn das alles war, warum hast du mich dann nicht gefragt?«
»Weil du genauso ein Riesentheater veranstaltet hättest wie jetzt. Du hättest dir den Kopf darüber zerbrochen, ob es den Beteiligten gegenüber fair ist. Sorry, aber das ist mir einfach scheißegal. Ich will weiterkommen. Es steht uns nicht an, Gott zu spielen und zu entscheiden, was eine Nachricht wert ist und was nicht.«
Ich schreie empört auf. »Das kann ja wohl nicht wahr sein! Seit wann kämpfst du denn für die Meinungsfreiheit?«
»Ich bin Journalistin. Das ist unser Beruf. Vielleicht solltest du dir einen anderen suchen, wenn dich das moralisch so belastet.«
Sie hätte mich genauso gut an den Schultern packen und mir einen Schlag in den Bauch versetzen können. Sich von Ken Baggaley anhören zu müssen, dass ich eine Schande für meinen Berufsstand bin, ist eine Sache. Aber von einer Frau, die frisch aus dem College kommt …
»Es gibt gute
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