Wir in drei Worten
sicher, dass er seinen Sinn für Humor bewahren und mir treu bleiben wird.
»Was machst du denn beruflich?«, erkundigt sich Matt.
»Ich bin Gerichtsreporterin bei der hiesigen Lokalzeitung. Und du?«
»Managementberatung. Hauptsächlich börsennotierte Unternehmen.«
Dazu fallen mir keine weiteren Fragen ein, weshalb Matt wieder das Wort ergreift. »Was ist das verrückteste Verbrechen, mit dem du je zu tun hattest?«
»Äh … verrückter als Serienmord?«
»Ich dachte eher an etwas Schräges, Bizarres.«
»Ihr Anwälte kriegt da sicher mehr zu Gesicht als ich«, meine ich zu Lucy.
»Ich beschäftige mich mit Zivilrecht wie Liv«, erklärt Lucy. »Also nein. Bei mir geht es eher um Zypressenhecken und Trennwände.«
»Alles Platz nehmen«, verkündet Olivia.
Lucy und Matt steuern zielstrebig auf die Mitte des Tisches zu, weshalb Simon und mir nichts anderes übrigbleibt, als uns, einander gegenüber, neben ihnen niederzulassen. Warum hat Ben mich nicht gewarnt? Das passt so gar nicht zu ihm. Du weißt nicht mehr, was zu ihm passt, halte ich mir vor Augen.
Wein wird eingeschenkt, und ich stürze rasch meinen Cocktail hinunter. Dann werden Salatteller vor uns hingestellt. Ich versuche, mich an die Grundregeln des Smalltalk zu erinnern und zu verstehen, was Ben plus Olivia freundschaftlich mit Lucy plus Matt verbindet. Zu Bens und meinem früheren Leben gehörte auch ein übereinstimmender Radar, mit wem wir etwas anfangen konnten und mit wem nicht. Es war, als teilten wir vom ersten Tag an ein gemeinsames Vokabular, einen moralischen Kompass und eine Landkarte, die wir weit besser lesen konnten als den Uniplan. Es zeigt sich, dass er sich entweder, wie Caroline meint, verändert hat oder einfach nur ein guter Gastgeber und Ehemann ist. Ich weiß, welche Antwort ich mir erhoffe.
»Und wie gewöhnt ihr euch hier ein?«, erkundigt sich Matt bei Olivia. »Gefällt es dir in Manchester?«
Matt spricht den Namen der Stadt mit übertriebenem Proll-Akzent aus, was mich ein wenig nervt.
»Ich kaufe gern bei Harvey Nichols ein«, erwidert Olivia, worauf Lucy kichert. »Wirklich. Ich hätte nie gedacht, dass es hier ist wie in einer kleineren Version von London.«
Für mich klingt das nicht gerade, als würde sie sich vor Begeisterung überschlagen. Ist es ein Lob, wenn man etwas als die kleinere Version dessen bezeichnet, was man gewohnt ist? Außer, es geht um einen Hintern, fürchte ich.
»Ben erzählt ständig, wie toll es war, hier zu studieren …«, fährt sie fort.
Schön für Ben.
»Didsbury ist spitze«, meint Lucy.
»Ja, hier im Stadtteil gibt es offenbar alles. Wir werden uns über die Schulen informieren müssen«, antwortet Olivia lächelnd.
»Oh, gibt es gute Nachrichten?«, flötet Lucy und fasst Olivia am Arm.
Ich kaue so heftig, dass ich mir auf die Wangen beiße.
»Nein, wir denken nur voraus«, erwidert Olivia mit einem Blick in Bens Richtung.
»Ohhhh …«, haucht Lucy.
Ich fühle mich unbeschreiblich traurig und außerdem leicht beschwipst, eine Kombination, bei der die Katastrophe nicht fern sein kann. Allerdings stelle ich fest, dass auch Ben so aussieht, als brauche er eine Thoraxdrainage.
»Wir wollen nichts überstürzen«, sagt er zu Olivia. »Vorerst genügt uns ein Hund. Wir müssen uns erst einmal eingewöhnen«, fügt er, an die Runde gewandt, hinzu.
»Schiebt es nicht zu lange vor euch her, man weiß ja nie, wie lange es dauert«, entgegnet Lucy. »Wie lange haben wir es versucht, bis Miles kam?«
»Achtzehn Monate«, antwortet Matt.
»Und das hieß, praktisch jeden Abend«, fügt Lucy hinzu. Plötzlich finde ich die Frage, ob in meinem Salat tatsächlich Chicoree ist, ausgesprochen fesselnd.
»Ich habe letztens in der
Mail
einen Artikel von einem Fortpflanzungsmediziner gelesen«, fährt Lucy fort. »Er meinte, man sollte die Familienplanung mit dreiunddreißig abgeschlossen haben. Wie viele möchtest du denn, Liv?«
»Drei. Zwei Mädchen und einen Jungen.«
Ben seufzt laut auf. »Man bestellt Kinder nicht im Versandhaus.«
»Und wie alt bist du jetzt? Einunddreißig? Du musst augenblicklich anfangen!«, ruft Lucy aus und schlägt lachend auf den Tisch.
»Aber doch hoffentlich nicht jetzt gleich«, wirft Simon trocken ein, worauf ich kichere.
»Hör auf, sie auf solche Gedanken zu bringen, Lucy«, sagt Ben mit einer Anspannung in der Stimme, die Lucy offenbar überhaupt nicht bemerkt.
»Komm schon, Ben!«, meint Lucy im Quengelton. »Wenn deine Gattin will,
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