Wir in drei Worten
sollte sie es bekommen. So ein Quickie hat doch was!«
Entgeistert lasse ich den Blick durch die Runde schweifen. Sie hat doch nicht tatsächlich »Quickie« gesagt!
»Oder verschießt du Blindgänger?«, meint Matt zu Ben, auf dessen Gesicht sich blankes Entsetzen abzeichnet.
Ach, herrje, ein Kind von Matt und Lucy ist sicher eine Nummer für sich. Matt und Lucy hoch zwei.
»Er wird sich schon noch überzeugen lassen«, meint Olivia und tätschelt Bens Arm.
Ben sieht aus wie ein Gejagter und trinkt einen Schluck aus seinem Glas.
»Was ist mit dir, Rachel?«, fragt Olivia, worauf sich alle Blicke auf mich richten. »Möchtest du irgendwann Kinder?«
»Äh.« Eigentlich will ich gerade eine Gabel mit grünem Blattwerk zum Mund führen, lasse sie jedoch wieder sinken. Ich will nicht aussehen wie einer der Gorillas im Nebel, der von fünf Dian Fosseys beim Vertilgen von Grünzeug beobachtet wird. »Es steht derzeit nicht ganz oben auf der Tagesordnung. Aber, ja, warum nicht. Falls ich jemanden finde, der mitmacht.«
Beklommenes Schweigen entsteht, und zwar hauptsächlich wegen ihres Verkupplungsversuchs.
Also plappere ich munter weiter. »Ach, über die Aussagen von Fortpflanzungsspezialisten würde ich mir keine großen Gedanken machen. Schließlich ist es ihr Job, uns zu sagen, dass wir Kinder kriegen sollen. Ein Leberfacharzt würde uns sicher vor dem Komasaufen warnen, und ein Herzdoktor würde uns empfehlen, auf Butter zu verzichten.«
Wieder dröhnendes Schweigen, noch lauter als zuvor. Ben lächelt aufmunternd. Kein Wunder, jetzt sitze ich statt seiner in der Scheiße.
»Machst du das? Komasaufen?«, fragt Matt rundheraus und schiebt ein Stück Rucola auf seinem Teller herum.
»Nein … äh … Ich kippe den Apfellikör nicht flaschenweise in mich hinein und pinkle dann Kriegerdenkmäler an. Aber ich beschränke mich auch nicht grundsätzlich auf zwei Gläser. Das ist doch normal, oder?«
»Nicht, wenn man Kinder hat«, entgegnet Lucy.
»Natürlich, die schlaflosen Nächte und so«, stimme ich zu.
»Miles ist inzwischen fast vier, und ich möchte nicht, dass er uns betrunken erlebt.«
»Nun, da hast du sicher recht«, erwidere ich. »Wäre schlimm, wenn er in seinem Alter an der Flasche hängen würde.«
Lucy starrt mich entsetzt an und blinzelt ein paarmal. »Er ist entwöhnt und isst feste Nahrung. Er ist
drei Jahre alt.
«
»Äh … ja. Ich meinte …« Meine Stimme erstirbt.
Lucy wendet sich an Olivia. »Oh, mein Gott, das habe ich ganz vergessen. Wir haben endlich die Schlüssel zur Villa gekriegt!«, sagt sie.
Sie fängt an, Fotos aus ihrer Handtasche zu kramen, und reicht sie Olivia und Ben, worauf die beiden interessierte und begeisterte Geräusche von sich geben. Es sieht nicht so aus, als würden die Fotos weiter herumgegeben.
»Den letzten Witz haben die nicht verstanden«, murmelt Simon und füllt mein urplötzlich leeres Weinglas nach.
»Habe ich was Falsches gesagt?«, flüstere ich zurück.
»Absolut nicht. Ich war schon darauf gefasst, dass sich das Scheinwerferlicht auf die Beweglichkeit meiner Spermien richtet.« Er senkt den Blick. »Katastrophe abgewendet, Jungs.«
Plötzlich fühle ich mich wie damals in der Schule, als ich kichernd in der letzten Bank gesessen habe. Nachdem unser Gelächter verklungen ist, stellen wir fest, dass die übrigen Anwesenden uns interessiert mustern.
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28
M an muss der Fairness halber zugeben, dass Matt und Lucy als klare Sieger aus dem Wettbewerb des heutigen Abends hervorgehen. Bei jedem Thema – Beruf, Familie, Urlaub, Haus – können sie sofort die richtigen von den falschen Antworten unterscheiden. Da sie rasch feststellen, dass meine Beiträge zum Gespräch nur Allgemeinplätze sind, verlieren sie bald das Interesse an mir. Ich war noch nie beim Skilaufen, habe mir niemals das Hirn darüber zermartert, welcher Kombi den geringsten Spritverbrauch hat, habe nie in einem Restaurant mit einem Michelin-Stern gegessen und habe auch keine klare Meinung zu den Steuerplänen der verschiedenen politischen Parteien.
Das ist nicht nur Selbstbeweihräucherung, hier herrscht richtig Smog. Außerdem muss diese Gewinnsucht unbeschreiblich anstrengend sein. Ich frage mich, wo das einmal enden wird. Wahrscheinlich werden sie noch im Seniorenheim darum wetteifern, wer den dicksten Notrufknopf um den Hals hängen hat.
Ich hoffe von Herzen, dass Ben und Olivia hier außer Lucy und Matt fast niemanden kennen und deshalb so bemüht sind.
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