Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
dir glaubhaft machen , daß sie dich tatsächlich liebt und daß die Trennung auf vorübergehender Geistesverwirrung beruht hat: Wärest du in der Lage , ihr die Roheit , mit der sie dich abserviert hat , zu vergeben? Und wenn ja: Wie wirst du mit der Tatsache umgehen , daß sie vermutlich in der Zwischenzeit sexuelle Kontakte zu diversen anderen Leuten hatte?«
»Wenn ich die Botschaft Jesu ernst nehme , muß ich ihr doch sowieso vergeben , siebenundsiebzigmal.«
»Die Frage ist nicht , ob du ihr in diesem allgemeinen Sinne vergibst , sondern ob du , wenn du wieder mit ihr zusammen wärest , die Hartherzigkeit vergessen könntest , mit der sie dir am Telephon – nicht einmal von Angesicht zu Angesicht , dafür war sie zu feige – erklärt hat , daß es zwischen euch aus ist. Und dann erzählt sie dir ganz nebenbei , daß sie längst in jemand anderen verliebt ist , daß sie dich also zumindest in Gedanken die ganze Zeit über betrogen hat. Seitdem sind drei Monate vergangen , in denen sie sich mit anderen Männern herumgetrieben hat , und es steht zu vermuten , daß sie dabei deutlich weitergegangen ist als mit dir. Wirst du das einfach ausblenden können?«
»Aber wenn ich sie liebe , dann gilt doch das , was Paulus sagt , daß die Liebe langmütig ist und gütig und alles erträgt …«
»Du solltest die Liebe , die Paulus beschreibt , nicht mit pubertären Aufwallungen erhitzter Körpersäfte verwechseln , mein Lieber.«
»Aber wenn ich in der Lage wäre , ihr in einem tiefen und umfassenden Sinne zu verzeihen: Das wäre doch ein großer Schritt hin zu dieser selbstlosen Liebe. Ich würde meine gekränkte Eitelkeit hintanstellen und das Gute in ihr höher gewichten als ihre Fehler , obwohl ihre Fehler mich sehr verletzt haben.«
»Ach was.«
»Was heißt › ach was ‹ ?«
»Es ist mühsam verbrämter Triebstau , der dich in diese Falle laufen läßt.«
»Das finde ich arg billig.«
»Du rennst hier herum , sabbernd , wie ein hungriger Wolf , und zur Zeit ist nirgends ein Weibsstück in Sicht , bei dem du dir Chancen ausrechnen kannst.«
»So schlimm ist es auch wieder nicht.«
»Ich dachte , wir wären aus dem Stadium heraus , wo wir uns etwas vormachen.«
»Gut. Manchmal.«
»Ich stelle mir einfach die Situation vor: Sie kommt hier an , so hübsch zurechtgemacht , wie es ihre Möglichkeiten eben erlauben , kurzes Röckchen , tiefer Ausschnitt , die Lippen rot geschminkt. Da läuft dir doch schon bei ihrem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Dann geht ihr in den Wald. Zu zweit. Draußen ist es warm , blauer Himmel , blühende Bäume , in den Büschen paart sich das Viehzeug …
»Bei den Vögeln ist die Paarungszeit längst vorbei.«
»Du führst sie irgendwohin , wo nie jemand ist , und dort wird sie dir unter Tränen erzählen , wie schrecklich leid ihr das alles tut , wie sehr sie dich liebt und daß sie sich doch so sehr wünscht , es könnte wieder sein wie früher.«
»Wenn es doch stimmt.«
»Bei dir setzt der Verstand schon aus , sobald dir die ersten Wolken von ihrem Parfüm in die Nase wehen. Das hast du selber gesagt. Heisterkamp saß dabei. Sie könnte dir von Krebspatienten und Beinamputationen erzählen – du würdest trotzdem dahinschmelzen.«
»Ja , aber gesetzt den Fall , es wäre tatsächlich so , wie sie es schreibt? Es könnte ja zumindest theoretisch sein. Vielleicht hat sie sogar längst gebeichtet , daß sie mich verlassen hat. Und was sonst noch passiert ist. Wenn denn etwas passiert ist. Mit Rasche ist sie auch nicht gleich ins Bett gegangen.«
»Das hätte sie dir wohl kaum gesagt.«
»Also wenn ich davon ausgehen würde , daß sie sowieso lügt , hätte ich mich von vorneherein besser in jemand anderen verliebt. Abgesehen davon: Welchen Vorteil sollte sie davon haben. So toll bin ich nun auch wieder nicht. Jedenfalls auf der materiellen Ebene.«
»Das stimmt allerdings.«
»Danke. Sehr freundlich.«
»Das hast du doch gerade selber gesagt. Und daß dein Geld nicht für teure Geschenke reicht …«
»Ja , aber das zeigt , daß es ihr um mich als Mensch , also um meinen Charakter geht. Da wäre es regelrecht tragisch , wenn ich ihr nicht wenigstens die Chance geben würde , den Fehler wiedergutzumachen.«
»Du mußt selber wissen , was du tust.«
»Aber du hältst es für falsch?«
»Ich halte es für völlig falsch.«
› Um drei beim Steingregor ‹ , hat sie am Telephon gesagt , und er hat sich gefreut , vier Tage lang , aber nicht nur.
Inzwischen
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