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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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leicht gegeneinander , halb weil es sich nicht vermeiden läßt , halb mit Absicht.
    »Und du?« fragt sie. »Was machst du so?«
    »Die Schule nervt , vor allem Krantz. Er hat sich fest vorgenommen , mir eins reinzuwürgen. Ich bin halt kein Süßi. Und seit ich Caesar beleidigt habe , hält er mich für einen Kommunisten. Aber es ist mir auch egal , solange ich nicht sitzenbleibe.«
    »Und die Fische?«
    »Besser. Also es war richtig gut: Die Makropoden haben abgelaicht , es sind auch Larven geschlüpft , bestimmt hundert , aber im Endeffekt sind dann doch alle eingegangen. Die Salinenkrebszucht hat nicht funktioniert , obwohl ich eigens einen zweiten Ausströmer gekauft hatte. Das Staubfutter haben sie nicht angenommen. Keine Ahnung. Aber immerhin haben die Alttiere sich gepaart. Mal sehen , wie es weitergeht.«
    Er sagt das Falsche , weiß nicht , was das Richtige wäre. › Hast du mit jemand anderem geschlafen , in den letzten drei Monaten , und wie war es? ‹
    Was würde sich ändern , wenn die Antwort › ja ‹ , was wenn sie › nein ‹ wäre?
    Sobald er zu reden aufhört , werden die Vögel laut.
    Er spürt die Wärme , die von ihr ausgeht , ihren Oberarm an seinem Oberarm. Es fühlt sich nicht an wie im vergangenen Herbst und Winter , weiter entfernt , obwohl damals Mäntel , Jacken und Pullover zwischen ihnen gewesen sind. Im Inneren seines Brustkorbs ein Schmerz , der nicht von Muskeln , Fleisch , Nerven verursacht wird. Er möchte sie in den Arm nehmen , sich versichern , daß es nur eine vorübergehende Unsicherheit ist , die im Moment verhindert , daß Erleichterung und Glück alles umwandeln.
    »Glaubst du , daß du mir eines Tages verzeihen kannst?«
    »Kein Problem.«
    »Willst du es auch?«
    »Natürlich will ich es.«
    »Aber es braucht Zeit , oder?«
    »Vielleicht , bis alles wieder so ist , wie es war , aber …«
    »Kannst du dir vorstellen , daß wir es schaffen?«
    Er nickt , weiß aber nicht , ob das Nicken wahr , falsch , richtig oder gelogen ist. Hat seine Augen starr auf den Boden geheftet. Sie kleben dort fest , obwohl er merkt , wie sie ihn ansieht , hofft , daß er sich endlich ihr zuwendet , ihren Blick erwidert , damit sie in ihn hineinschauen kann , bis auf den Grund des Herzens , wo die Antwort wäre. Er will , daß es in seinem Inneren hell und freundlich aussieht , hebt den Kopf , dreht sich zu ihr hin , fährt ihr mit der Hand übers Haar , sagt: »Ganz schön kurz.«
    Es soll klingen wie: › Alles nicht schlimm , mach dir keine Sorgen. ‹
    »Sie wachsen schnell , meine Haare , schneller als mir lieb ist.«
    »Spielt auch keine Rolle , wie kurz oder lang deine Haare sind , ist doch egal , wenn alles so egal wäre …«
    »Wirklich?«
    »Sonst wäre es wohl ein bißchen arg wenig , was ich für dich …«
    »Und ich hatte gedacht , du fändest es schlimm , wie ich aussehe. Weißt du , es war auch aus Verzweiflung – sie so kurz schneiden zu lassen.«
    Ihr Gesicht nähert sich seinem , vorsichtig , so daß er zurückweichen kann , wenn er zurückweichen will. Er rührt sich nicht. In seinem Kopf steht eine weiche empfindungslose Masse , der es gelingt , die Gesichtsoberfläche in einem Zustand des Lächelns zu halten. Die Farbe ihrer Augen ist schön , daran hat sich nichts geändert. Sie hält die Bewegung auf ihn zu an. Vielleicht ist es als Frage gemeint oder eine Aufforderung , sich zu entscheiden. Die Erinnerung an den Geschmack ihres Mundes , die Art , wie ihre Zungen sich ineinanderschlingen. Was heißt es , wenn er sie jetzt küßt , wenn er sie jetzt nicht küßt? Viel Zeit bleibt nicht. Seine Hand rutscht in ihren Nacken , zieht sie heran. Ihr Gesicht ist unscharf. Wenige Zentimeter zwischen ihren Lippen.
    »Vielleicht sollten wir warten , bis wir – bis du sicher bist , daß du mich noch willst« , sagt sie.

Siebenundzwanzig
    Er schaut auf den Rhein. Grelles Licht , der Himmel weiß , statt blau , warmer Wind aus Westen. Ein Frachter fährt stromabwärts Richtung Holland , beladen mit Eisenträgern. Nur eine Handbreit Rumpf ragt über die Wasserlinie. Im Bug steht ein Pony.
    Carl setzt den Feldstecher an , stellt das gegenüberliegende Ufer scharf , entdeckt zwei Brandgänse bei einem ausgebleichten Baumstamm. Sandflächen steigen zu den Flußwiesen hin auf. Kühe grasen. Zwischen Kieseln und Müll ein Pärchen Austernfischer. Die ersten sind vor zwei Jahren in der Gegend um Henneward aufgetaucht. Carl verzeichnet sie in seinem Notizheft. Fragt sich , ob all

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