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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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ist es acht Minuten nach drei: Wer weiß , ob sie überhaupt noch kommt , ob sie es sich nicht doch wieder anders überlegt hat.
    Wenn sie kurzfristig verhindert worden wäre , hätte sie ihn schwer erreichen können.
    Satt und bewegungslos hängt die Luft über dem Wald , den Pferdewiesen. Immerhin regnet es nicht , und wie es aussieht , wird es die nächsten beiden Stunden auch nicht regnen , obwohl für den Nachmittag Gewitter angekündigt sind.
    Neben ihm hält der Erzieherwagen. Bruder Walter kurbelt die Scheibe herunter , sagt: »Na , Carl? Auf wen wartest du?«
    Carl wird rot.
    »Mal schauen. Wir wollten spazieren gehen. Kuffel und ich. Vielleicht auch Heisterkamp.«
    »Dann mal viel Spaß.«
    Bruder Walter grinst vieldeutig , fährt weiter , biegt links ab auf die Straße nach Forch.
    Wie kann er wissen , was Carl vorhat , wenn die Telephongespräche nicht abgehört werden? Großkreutz sagt , wichtige Dinge , ganz gleich ob geschäftlich oder privat , bespricht er ausschließlich aus der Zelle beim Sportplatz in Halm.
    Carl hat ein flaues Gefühl , Hunger vermischt mit Übelkeit.
    Möglich , daß es falsch ist , sie noch einmal zu treffen.
    Er geht hierhin und dorthin , schaut abwechselnd zur Brücke , auf den Eingang zum Wald , in Richtung der Grenze. Vielleicht sind Ulla , Andrea und ihre Freundinnen zum Essen in die Pommes-Kneipe hinter dem Zollhaus gegangen.
    Was , wenn Kuffel recht hat und sie nur eine Zwischenlösung sucht , eine kurzfristige Bestätigung.
    Er sieht eine Gestalt in Weiß auf der Brücke. Es ist eine Frau mit kurzen braunen Haaren , noch viel kürzer als Ulla sie hatte , nachdem sie sich den Zopf hat abschneiden lassen – fast schon ein Mecki. Sie ist allein , nimmt den Weg am Parkplatz vorbei zur Ausfahrt , hat ihn noch nicht gesehen oder noch nicht erkannt , nähert sich zügig , schaut auf die Uhr , legt einen Schritt zu. Das Kleid leuchtet in der feuchtgrünen Luft , als gehörte es einer überirdischen Erscheinung. Es ist Ulla , kein Zweifel. Er kennt ihren Gang , die Art , wie sie die Hüften schwingt , das Schlenkern ihrer Arme. Unwillkürlich dreht er sich weg , tut so , als hätte er sie noch nicht erkannt , wendet ihr den Rücken zu , geht auf den Steingregor zu , tritt hinter einen Baumstamm , hält Ausschau in der verkehrten Richtung , starrt auf das Wasser des Grabens , während es in ihm juchzt und dann schreit vor Schmerz. Er atmet durch. Jetzt müßte sie so nah sein , daß sie ihm mit ihrer normalen Stimme den ersten Satz sagen könnte. Er wendet sich ihr zu , seine Augen täuschen noch immer Suche und Erwartung vor , im nächsten Moment sind sie überrascht , froh über ihren Anblick. Was verrät ihr Gesicht? – Sie fürchtet sich auch: »Hallo , Carl.«
    Vielleicht will sie mit ihm schlafen , jetzt gleich im Wald. Vorausgesetzt , er führt sie an einen sicheren Platz.
    »Hallo , Ulla.«
    Sie gibt ihm die Hand. Alles andere wäre hier , wo man sie von überall aus sehen könnte , viel zu gefährlich.
    »Ich bin froh , daß du gekommen bist« , sagt sie.
    »Ja.«
    Ihr Kleid ist aus fließendem spitzendurchsetztem Stoff , doch die Spitzen sind unterlegt , lassen nirgends nackte Haut durch. Dazu weiße Ledersandalen mit hohen Absätzen. So etwas hat er noch nie an ihr gesehen.
    »Wo sollen wir hin?«
    »Vielleicht gegenüber in den Wald? Ich weiß weiter hinten einen Pfad , der bis an die Kerme führt. Da können wir uns in Ruhe … unterhalten.«
    »Du kennst dich besser aus. Wir sind früher immer nur den Hauptweg gegangen.«
    Sie überspielt ihre Unsicherheit. Keine Spur von brennendem Verlangen.
    »Chic siehst du aus. Ungewohnt.«
    »Ich dachte , ich ziehe mich mal an , wie es sich für sonntags gehört , wenn ich Kahlenbeck einen offiziellen Besuch abstatte.«
    Er schaut sich um , ob jemand sie beobachtet , sagt: »Kommt gerade kein Auto.«
    Weiß nicht , ob er sie bei der Hand nehmen und über die Straße ziehen soll. Läßt es.
    Das Licht fällt weich durch das Blätterdach , gedämpfte Formen und Farben , ruhiges Halbdunkel , keine Schlagschatten. Ein Eichelhäher nimmt krächzend Reißaus.
    »Und wann fahrt ihr wieder zurück , Andrea und du?«
    »In einer Stunde muß ich auf dem Parkplatz sein.«
    »Verstehe.«
    »Ich wußte nicht , wieviel Zeit du hast.«
    »Bis fünf halt. Dann ist Vesper.«
    »Emma und Iris haben ab vier wieder Dienst.«
    Sie riecht ein bißchen verschwitzt , süßlich , dazu ein Parfüm , das er nicht kennt.
    »Und wie geht es dir

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