Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
gar nicht , daß du so eine Sportskanone bist« , ruft Kuffel.
Trotz des albernen Begriffs Sportskanone klingt seine Stimme nicht ironisch.
»Da kannst du mal sehen.«
»Zeigst du es mir noch einmal?«
»Keine Lust.«
»Und wenn ich dich darum bitte?«
»Wozu?«
»Es hat mir gefallen.«
Daß es ihm auf diese Weise gefällt , ist nicht seine Absicht gewesen.
»Gut. Von mir aus. Aber wahrscheinlich klappt es nicht noch einmal so sauber.«
Er steigt wieder aus dem Wasser , schaut zurück , jagt Kuffels Augen davon. Es ist eine Demonstration. Und weil er sich schämt. Einmal hat Kuffel gesagt: › Dein Gang ist nicht besonders elegant , vor allem von hinten ‹ , und Holzkamp hat hinzugefügt: › Du watschelst wie eine Ente , wenn du es genau wissen willst. ‹
Er rutscht in einer Lache aus , fängt sich. Kuffel schaut erschrocken. Man kann sich leicht etwas brechen auf den Fliesen , wenn man unglücklich stürzt.
Carl winkt ab. Sieht sich selbst von außen zu , wie er dort steht , zu schwach , zu weichfleischig , um schön oder wenigstens männlich zu sein.
Als ob das die Frage wäre , hier im Kahlenbecker Schwimmbad , wo ohnehin nie Mädchen dabei sind.
Er nimmt erneut Anlauf , brüllt: »Weg da!« , als es zu spät ist , entscheidet sich in letzter Sekunde gegen den Salto , springt statt dessen so weit wie möglich ab , um nicht mit voller Wucht auf einen lebensmüden Tertianer zu prallen.
»Hör auf mit den Sprüngen , Pacher , ich hab’ keine Lust auf Genickbrüche« , ruft der Aventin-Tutor Winkelmann. Er ist heute der Bademeister.
Carl hält sich an der Überlaufrinne fest , schnappt nach Luft , sieht sich um. Kann Kuffel nirgends entdecken. Wenn er schon gegangen wäre , hätte er Bescheid gesagt. Abgesehen davon ist er noch nicht eine einzige reguläre Bahn für den Rücken geschwommen. Im selben Moment spürt er eine Hand an seinem Knöchel , der Griff so fest , daß es schmerzt. Jemand will ihn hinunterziehen. Er hat Kraft. Versucht ihn um den Bauch zu fassen. Der Reflex , daß er genau das nicht will. Nichts in der Art. Weder jetzt noch überhaupt. Er schafft es , sich mit dem anderen Bein so vom Rand abzustoßen , daß die Hand loslassen muß , ist mit einigen Kraulschlägen in der Mitte des Beckens. Sieht unter Wasser einen Körperschatten , Kuffels grün-weiß-schwarze Badehose. Wut wegen des Übergriffs. Nichts dergleichen war abgesprochen.
Kuffels Kopf taucht unmittelbar vor ihm aus dem Wasser. Er fletscht die Zähne , lacht gespielt grausam , als wäre er ein wilder , ungestümer Junge , der seine Kräfte messen muß. Carl will sagen , es liegt ihm auf der Zunge: › Hör zu , Bernhard , ich mag keine Kämpfe mit dir , weil du schwul bist und auf eine komische Weise in mich verliebt. Deshalb hat es für mich nichts mit dem zu tun , was die anderen hier machen. ‹
Sagt es nicht.
Kuffel grinst , schießt senkrecht aus dem Wasser , sinkt tief hinunter , stößt sich vom Boden des Beckens ab , schnellt auf ihn zu , umgreift ihn von hinten. Carl spürt behaarte Männerarme um seine Brust , behaarten Männerbauch an seinem Rücken , wird hin und her geworfen , als wäre er das Gnu im Maul eines Krokodils , das ihn in die Tiefe ziehen und ertränken wird. Er fährt den Ellbogen aus , trifft Kuffel an der Schulter. Es könnte weh getan haben , wirkte aber ungezielt. Kuffel wird keine Absicht dahinter vermuten. Sonst würde er loslassen. Oder erst recht nicht. Weil er plötzlich Gefallen an Carls Zorn gefunden hat , ihn bis an die Grenze zum Todernst auskosten will.
Carl denkt an Joschrupp. Hofft inständig , daß Kuffel in seiner Badehose keinen Ständer hat. Es würde das Ende ihrer Freundschaft bedeuten. Er könnte unmöglich abends mit jemandem auf dem Zimmer sitzen , der stärker ist als er und bei dem sein Anblick unkontrollierbare sexuelle Regungen auslöst , wie bei einem Triebtäter , der nicht steuern kann , wann seine Geschlechtsteile sich wie verhalten. Carl muß wissen , ob es bei Kuffel in diese Richtung geht oder ob er tatsächlich Kontrolle über die Regungen seines Fleischs besitzt , wie Sokrates , als der geile Alkibiades sich nackt an ihm gerieben hat. Wie soll er aber herausfinden , was mit Kuffels Schwanz ist , wenn er ihn auf gar keinen Fall mit irgend etwas von sich zwischen den Beinen berühren will. Allein der Gedanke. Immer noch sind die haarigen Arme an ihm und um ihn , die einen normalen Ringkampf vortäuschen , wie Carl sie jeden Tag auf dem Schulhof hat , vor
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