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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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preßt die Faust zusammen , zieht die Gummihaut tiefer. Das Säckchen an der Spitze richtet sich auf , wird eine Blase wie bei quakenden Fröschen: »Echt fies , oder?«
    »Riecht nach Badekappe.«
    »Du merkst fast nichts davon« , sagt Großkreutz. » Gefühlsecht. Steht auch drauf.«
    Carl hat das Bild vor Augen , wie es wäre , wenn er in diesem Moment vollkommener Vergessenheit anfinge , an sich herumzufummeln , als wollte er einen Gartenschlauch abdichten , und das Mädchen , das er mit ganzer Seele liebte , sähe ihm dabei zu.
    Aus Joschrupps Mundwinkel rinnt Sabber , den er mit dem Hemdsärmel fortwischt. Er trägt eine beige Bundfaltenhose. Seine Eltern haben ihm Jeans verboten , weil Jeans ein Zeichen von Unsittlichkeit sind. Ihr Reißverschluß stülpt sich nach vorne aus.
    »Joschrupp , du perverse Sau , fahr deinen Ständer ein« , sagt Carl.
    »So ist das bei den Spastis« , sagt Ganske. »Die Glieder bewegen sich komplett unkontrolliert.«
    Alle lachen.
    »Neulich in der Schwimmhalle unter der Dusche auch: Da stand Frieder Mertens neben ihm , und Joschrupp ist fast die Badehose geplatzt.«
    »Mir wird schlecht , schon vom Zuhören.«
    »Joshi , alte Schwuchtel« , sagt Großkreutz , »ist das ein schönes Gefühl , wenn dein Schwanz so an der Unterhose schabt? Kommt’s gleich? Soll ich dir erzählen , wie es ist , wenn so ’ne süße Blonde mit ihren zarten Fingerchen dein Ding in die Hand nimmt?«
    Joschrupp stößt einen abstoßenden Laut aus , halb Röcheln , halb Beschimpfung , dreht sich um , reckt die Faust in die Luft , hinkt über den marmornen Platz , vorbei an der alten Platane , verschwindet hinter der Glastür im Kreuzgang.
    Deggendorf hat noch immer den Gummi auf dem Daumen , schiebt ihn in der Faust vor und zurück , was ein schmatzendes Geräusch erzeugt , ehe er ihn abstreift , zwischen spitzen Fingern hochhebt wie einen toten Aal: »Und da wäre er jetzt drin , dein Saft. Was für ein Elend.«
    »Ihm ist echt einer abgegangen , vom bloßen Zuhören« , sagt Ganske.
    »Mach keine Witze.«
    »Im Ernst , ich hab’s gesehen: Vorne , neben dem Eingriff , kam ein dunkler Fleck durch. Was soll das sonst gewesen sein? Pisse?«
    »So was Krankes hab’ ich ja noch nie gehört.«
    »Ist halt ein Krüppel.«
    Carl muß weg von diesen Leuten , wo er sich selbst schon nicht entkommt , wendet sich Bart zu , sagt: »Ich geh’ zum See , ich brauche dringend frische Luft nach diesem ganzen Hirnkot hier. Wir sehen uns später.«
    Es riecht nicht nach Regen , obwohl der Himmel wolkenverhangen ist , die Luft weder warm noch kalt , unwirklich matte Farben. Carl hastet am Primanerbau vorbei. Großkreutz , seine Bewunderer , Neider , ihre Stimmen , die dummen Sprüche , das dreckige Lachen , sein eigenes eingeschlossen , bleiben zurück. Erleichterung , als wäre Ruhe eingekehrt , trotz der Musik , die oben aus den Zimmern dröhnt. AC / DC , Kate Bush , Bach für Klavier. Scham , daß er wieder ohne Not und noch vor den anderen auf Joschrupp eingedroschen hat , gefolgt von einer Welle Abscheu: Bevor Ansgar Joschrupp alle mit seinem angeschwollenen Gerät belästigt , soll er gefälligst verschwinden , der Wichser.
    Carl schüttelt sich , flucht: »So eine Scheiße , so eine Scheiße , so eine widerliche Scheiße.«
    Er erreicht den Vorplatz der Juvenatsspeisesäle. Aus den gekippten Oberlichtern der Waschküche ziehen feuchtwarme Schwaden , Geruch von Lauge , Weichspüler , Heißmangeldunst. Hebel werden umgelegt , das Geräusch schwer drehender Walzen. Ulla hat erzählt , daß sie sogar die Unterhosen des Präses , der Präfekten und Nonnen bügeln mußten. Wenn die Wäsche nicht glatt genug oder nicht perfekt gefaltet war , kam der Stapel zurück. Wer bei euch groß sein will , soll euer Diener sein , und wer bei euch der erste sein will , soll der Sklave aller sein , heißt es im Evangelium.
    Carl wüßte gern , wie sie das zusammenbringen.
    Die Fensterfront aus Milchglasscheiben , damit auf keinen Fall jemand die Küchenmädchen bei der Arbeit beobachten , sie ablenken , mit ihnen in Kontakt treten kann. Nicht einmal Schemen sind zu erkennen , doch ihre Anwesenheit bleibt spürbar , eine atmosphärische Schwingung. Frauenkörper , zum Greifen nahe , vielleicht dick und häßlich , aber selbst das wäre weniger furchtbar , als endlos für sich allein zu sein , abgeschnitten.
    Er überquert die Brücke , spuckt ins Wasser. Keine Fische zu sehen.
    Der moderne Mensch im Käfig seiner außer Kontrolle

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