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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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Risse , Abgründe tun sich zwischen ihnen auf , aus denen Mutmaßungen aufsteigen , Verleumdungen. Keinen Glauben an gar nichts , nicht einmal an seine eigene Liebe zu ihr , lassen sie unwidersprochen. –
    Vorn hinkt Joschrupp , mit nassen Haaren , die Sporttasche über der Schulter , atmet hörbar. Joschrupp hat ihn noch nicht gesehen. Carl erhöht das Tempo. Sein Blick fällt auf die erleuchteten Fenster der Michaelskapelle hinter dem Teich. Die Orgel leitet holprig den Hymnus ein: Bevor des Tages Licht vergeht … Schwester Eugenia spielt so. Schwester Eugenia mochte ihn , als er noch bei ihr Unterricht hatte , obwohl er faul und unbegabt war. Sie will ihn ermahnen mit ihrem Spiel. Als Heilige hat sie vielleicht die Gabe der Hellsichtigkeit. Es nützt nichts.
    Carl tritt absichtlich laut auf. Joschrupp bleibt stehen , dreht sich um. Es sind noch fünf Meter bis zur Tür.
    »Und , Ansche , warst du schwimmen?« , ruft Carl.
    Joschrupp zögert zu antworten , weiß nicht , ob die Frage freundlich oder feindlich gemeint ist.
    »Auch schwimmen , paar Bahnen , aber hauptsächlich duschen.«
    »Und? War’s schön?«
    »Nichts Besonderes. Nur daß ich jetzt sauber bin …«
    »Niemanden getroffen in der Schwimmhalle?«
    »Wieso?«
    »Naja , vielleicht war irgendein Hübschi da , der dir warme Gedanken gemacht hat , wo sie das Wasser schon nicht heizen.«
    »Was willst du?«
    »Oder hast du gar nicht gemerkt , wie kalt es ist vor lauter innerer Hitze?«
    »Es färbt anscheinend ab , daß du jetzt dauernd mit Holzkamp herumhängst. Wobei – stimmt nicht: Du warst schon immer ein Arschloch , Pacher.«
    »Frieder kann’s nicht gewesen sein , der wollte nach Holland. Hast du einen anderen , der dir feuchte Träume macht? Ulli Ehrmann vielleicht? Krantz findet den auch süß , und ihr scheint ja den gleichen Geschmack zu haben.«
    Joschrupp räuspert sich , hustet vom eigenen Schleim , krächzt: »Mir hat neulich jemand erzählt , daß du jetzt Kuffel an deinen Pimmel läßt.«
    Dreht sich weg , öffnet die Tür zum Kreuzgang , verschwindet im Dunkeln.
    Carl klappt den Mund auf und zu , braucht einen Moment , bis er die Fassung wiedergefunden hat.
    »Wer erzählt das?« brüllt er ihm nach , doch die Tür besteht aus zwanzig Zentimetern Eichenholz , und die Mauern wurden einst erbaut , um das Kloster gegen den Lärm der Welt abzuschirmen.
    Er schreit etwas Unverständliches in die Nacht , reißt die Klinke herunter , kann im Dunkeln weder Dinge noch Gestalten erkennen. Seine Augen stellen sich um. Er sieht Joschrupp davonhinken , rennt , bis er ihn hat. Das Echo der Schritte hallt durch das Quadrat der Gewölbegänge , kehrt zu ihm zurück. Er hält Joschrupp am Arm , schreit ihm ins Gesicht: »Wer sagt das?«
    Von rechts wieder Schwester Eugenias Orgel , die Melodie des Magnificat: Meine Seele preist die Größe des Herrn / und mein Geist jubelt über Gott , meinen Retter .
    Joschrupp reißt sich mit einem Ruck los , stößt Carl gegen die Wand. Er ist halb lahm , ungelenk , hat aber Bärenkräfte.
    »Hab ich halt gehört.«
    Von der Laterne im Kreuzgarten fällt ein fahler Schein auf die Steinplatten im Boden. Das flache , abgelaufene Relief eines Stifters samt Wappen und Totenkopf wirft Schatten. Er versucht Joschrupp allein mit einem haßerfüllten Blick niederzuringen , doch es ist zu dunkel , als daß Blicke Gewalt hätten. Joschrupps Augen hinter den dicken Brillengläsern sind kaum zu erkennen. Als sie aufblitzen , ist Carl sicher , daß er Häme sieht , sogar Triumph. Joschrupp bildet sich ein , endlich einen Punkt gemacht zu haben , nach Hunderten , mit denen Carl ihn dem Gelächter der Klasse , der Mannschaft , des Speisesaals preisgegeben hat.
    Er kann Joschrupps Bemerkung keinesfalls auf sich beruhen lassen.
    »Du sagst mir sofort , wer diese Lügen verbreitet , sonst …«
    »Was sonst?«
    »Ich warne dich. Es ist besser , wenn du mir sagst , wer so was behauptet , damit ich ihn mir vorknöpfen kann , ansonsten betrachte ich dich als Urheber dieser Scheiße.«
    Das Wort »Scheiße« hängt in den Gewölben , überlagert die Orgel , verklingt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreuzgangs fällt die Glastür ins Schloß. Schritte , die lauter werden. Carl fürchtet , es könnte Roghmann sein. Roghmann duldet es nicht , wenn Schmutzwörter herumgebrüllt werden.
    »Du kannst mir mit gar nichts drohen.«
    Die Schritte nehmen Treppenstufen , wie sie zu Roghmanns Wohnung hinaufführen. Ein Schlüsselbund

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