Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
klimpert , Scharniere quietschen.
Wegen der unberechenbaren Kraft in Joschrupps Muskeln ist es riskant , sich mit ihm zu prügeln , aber er muß zum Schweigen gebracht werden , wenn Carl nicht seinen Ruf aufs Spiel setzen will.
»Was ist jetzt? Oder soll ich dir eine reinhauen?«
»Versuch’s doch. Ich hab’ keine Angst vor dir , Pacher.«
Eine plötzliche Zusammenballung von Haß in seiner Brust , gesträubtes Nackenhaar: Wie in Zeitlupe fährt seine Faust durch die Dunkelheit , unendlich verlangsamt , trotzdem zu schnell , als daß Joschrupp , daß irgendein Gegner noch ausweichen könnte , nähert sich dem Kinn , ein sonderbarer Lichtglanz läßt Arm , Hand , vier Knöchelkuppen , die ein Schlagring sind , heller erscheinen , als es die Dämmrigkeit des Kreuzgangs erlaubt , ein Energiestrahl , der herausgeschossen kommt. Oberhalb des Kinns trifft die Faust , eine fremde Faust , seine Faust auf Joschrupps Gesicht. Der Knochen ist hart , die Lippe weich , darunter scharfkantige Zähne , die ihm die Haut aufreißen. Er spürt keinen Schmerz , zumindest nicht den Schmerz , der wehtut , lediglich die körperliche Bestätigung , daß er getroffen hat mit voller Wucht trotz des Zeitlupentempos. Joschrupps Kopf geht gleichfalls verzögert schräg nach hinten weg. Die Brille hat sich von der Nase , den Ohren gelöst , beschreibt eine Parabelkurve. Mehrfach blitzt das silberne Gestell auf , schlägt mit dumpfem Ton knapp oberhalb des Bodens gegen den Putz. Auf den Steinplatten klirrt es. Rutscht ein Stück , kommt zur Ruhe. Da sind Splitter , große und kleine , weit verstreut. Carls Faust war in der Rückwärtsbewegung nicht schnell genug , Joschrupp hat seinen Unterarm gegriffen , so daß er nicht zurückspringen , sich nicht neu aufstellen kann , faßt ihm mit der Linken an die Kehle. Der Geruch von Chlorwasser , Apfelshampoo. Carl versucht sich herauszuwinden , bekommt den Hals frei. Joschrupp schlägt nicht , obwohl er den richtigen Abstand für einen harten Treffer hätte , seine Gliedmaßen sind ungebärdig. Weder kann er seine Kraft bündeln , noch gebündelte Kraft in einen kontrollierten Schlag verwandeln. Ohne Brille ist er fast blind. Aber er läßt nicht los , zerrt , versucht Carl in den Schwitzkasten zu bekommen. Blut rinnt sein Kinn hinunter. Carl windet sich heraus , hakt seinen Unterschenkel in Joschrupps Kniekehle , stößt ihm gegen die Brust , bringt ihn zu Fall , Joschrupp schlägt der Länge nach hin , das dumpfe Geräusch seines Hinterkopfs auf jahrhundertealten Steinplatten. Er hat noch immer nicht losgelassen , reißt Carl mit sich zu Boden. Das Licht der Friedhofslaterne scheint in Joschrupps Gesicht. Um den Mund und am Kinn ist es blutverschmiert. Carl biegt sich zur Seite , erspürt etwas Hartes am Unterarm , eine Schwellung , die von Joschrupp ausgeht , aus seiner Mitte herausragt , durch den Hosenstoff. Es kann unmöglich sein , daß er in dieser Situation. Das ist vollkommen pervers , es sei denn. – Carl schaut ihm ins Gesicht , Joschrupp blutet aus dem Mund wie ein Schwein. Auf den Steinplatten sind schwarze , naß glänzende Flecken. Selbstmörder , Gehenkte , haben im letzten Moment eine Erektion , einen Samenerguß. Er bekommt Panik. Was , wenn Joschrupp einen Schädelbasisbruch hat , wenn am Hinterkopf schon das Hirn heraussickert? Aber Joschrupps Griff läßt nicht locker. Das spricht gegen ernsthafte Verletzungen. Es sei denn , es ist der Todeskrampf. Das hat er nicht gewollt. Es ging nur darum , daß er sein Recht durchsetzt gegen eine dreckige Verleumdung. Er kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden , daß Joschrupp unfähig ist , einen gewöhnlichen Sturz abzufangen. Er röchelt. Das ist ein gutes Zeichen. Soweit Carl es erkennen kann , sind seine Augen klar , wütend. Bäumt sich auf , bekommt seine andere Hand frei , versucht allen Ernstes , ihm an die Eier zu fassen: »Bist du vollkommen krank , du Sau , du Wichser?‹ , schreit Carl. Es gelingt ihm , sich aus der Umklammerung zu befreien , sich mit seinem ganzen Gewicht auf Joschrupps Brustkorb zu setzen. Joschrupp sondert unverständliche Laute ab. Wie ein nächtliches Urwaldtier hört er sich an. Noch immer hält er Carls Arm so fest , daß es schmerzt , bäumt sich auf , wirft sich hin und her. Carl hat Mühe sich zu halten. Wieder spürt er den Ständer unterhalb des Rückens , überlegt hinzulangen , ihn abzuknicken , bis er bricht. Der Ekel ist größer. Statt dessen brüllt er: »Ich kann dir auch
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