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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Löffel aus der Plastiktüte. Er fragte, was ich damit mache.
    Ich sagte: »Damit esse ich meine Joghurt.«
    Dann zog der aber das Klopapier mit dem Spritzbesteck aus der Tüte und ich musste mitkommen. Sie brachten mich auf die Revierwache am Zoo. Ich hatte keine Angst. Ich wusste, dass sie eine Vierzehnjährige nicht in den Knast stecken konnten. Ich war nur voll sauer auf die Scheiß-Zivilbullen.
    Sie sperrten mich in eine Zelle gleich neben dem Schreibtisch des Oberbullen. Ich war irgendwie so selbstsicher, dass ich nicht mal versuchte, das Dope verschwinden zu lassen, das ich noch in der kleinen Tasche meiner Jeans hatte. Das konnte ich einfach nicht, Dope wegschmeißen. Dann kam eine Polizistin. Ich musste alles ausziehen, auch noch Hemd und Unterhose, und dann hat sie mir in jedes Loch geguckt, bevor sie endlich das H in meiner Jeanstasche gefunden hatte.
    Ein Bulle tippte alles wahnsinnig umständlich auf ein Blatt Papier. Ein Durchschlag des Protokolls kam in einen dicken Aktenordner. Ich war jetzt also eine registrierte Rauschgiftsüchtige und keine Dunkelziffer mehr. Die Bullen waren eigentlich ganz nett. Sie hatten nur alle in etwa den gleichen dämlichen Spruch drauf: »Mensch, Mädchen, was machst du denn? Du bist erst vierzehn, so jung und so hübsch und schon fast tot.«
    Ich musste ihnen die Telefonnummer vom Betrieb meiner Mutter geben und einer ging raus, um mit meiner Mutter zu telefonieren.
    Meine Mutter kam so um halb sechs, nach dem Dienst, total gestresst. Und dann fing sie auch noch echt ein Gespräch mit den Bullen an, die doch sowieso nur Sprüche draufhatten. Sie sagte: »Ja, ja, diese Kinder. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich mit ihr anfangen soll. Nun hab ich doch mit ihr entzogen. Aber sie will ja überhaupt nicht aufhören.«
    Das fand ich ja nun das Letzte: will ja gar nicht aufhören. Meine Mutter hatte eben auch nicht die geringste Ahnung von mir und dem H. Natürlich wollte ich. Aber wie, das hätte sie mir ja mal sagen können. Draußen fing sie an mich auszufragen. Wo ich denn wieder gewesen wäre. Ich sagte: »Ich war auf dem Bahnhof, Mensch.«
    Sie: »Da sollst du doch nicht hingehen.«
    Ich sagte: »Ich habe da auf Detlef gewartet, wenn ich das vielleicht wenigstens noch darf.«
    Sie meinte, ich solle mich mit diesem »arbeitslosen, asozialen Penner« nicht mehr treffen. Und dann fragte sie auch noch: »Gehst du etwa auf den Strich?«
    Ich brüllte sie an: »Bist du verrückt? Sag so was bloß noch mal. Wieso soll ich denn anschaffen gehen, kannst du mir das mal erklären? Du denkst also, ich bin eine Nutte, oder?«
    Da war sie still. Ich hatte aber jetzt echt Angst um meine Freiheit. Und irgendwo machte es mir doch auch Angst, wie kalt meine Mutter schien. Ich dachte, die habe mich jetzt auch fallengelassen, aufgegeben, würde mir nicht mehr helfen. Aber dann sagte ich mir: Was kann sie dir auch helfen mit diesen Sprüchen »Geh nicht mehr auf den Bahnhof«, »Triff dich nicht mehr mit dem Penner Detlef«.
    Ich musste mit meiner Mutter nach Hause und hatte kein Dope mehr für den nächsten Morgen. Am Morgen holte mich meine Mutter aus dem Bett. Sie sah mir ins Gesicht: »Was hast du nur für Augen, Kind. Die sind ganz ausdruckslos. Ich seh da nur noch Angst und Verzweiflung.«
    Als meine Mutter zur Arbeit gegangen war, sah ich in den Spiegel. Ich sah mir zum ersten Mal meine Augen auf Turkey an. Die waren nur noch Pupille. Ganz schwarz und ganz stumpf. Wirklich total ausdruckslos. Mir wurde heiß. Ich wusch mein Gesicht. Ich fror, da ging ich in die heiße Badewanne. Dann traute ich mich nicht mehr raus aus dem Wasser, weil es draußen viel zu kalt war. Ich ließ immer wieder heißes Wasser nachlaufen. Ich musste irgendwie die Zeit bis mittags überbrücken. Denn vormittags fand ich weder einen Freier am Bahnhof noch irgendjemanden, der mir einen Druck ausgab. Vormittags hatte niemand Dope. Es war überhaupt schwer, jemanden zu finden, der noch etwas ausgab. Axel und Bernd stellten sich schon wahnsinnig an, weil sie jedes Viertel selber brauchten, weil sie kaum noch so viel anschaffen konnten, wie sie brauchten. Selbst Detlef war sehr geizig geworden mit seinem Stoff. Und die anderen auf der Szene, die hätten ihr Zeug eher in den Gully geworfen, als etwas abzugeben.
    Als der Turkey immer schlimmer wurde, zwang ich mich aus der Badewanne raus, um in der Wohnung auf die Suche nach Geld zu gehen. Das Wohnzimmer war schon immer abgeschlossen. Das machte Klaus, der Freund

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