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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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Irgendwie bekamen wir heraus, wo der Friedhof war. Einer der Soldaten schenkte mir eine Zahnbürste und ein kleines, rundes Döschen mit Zahnpasta. Max verlangte ebenfalls eine Zahnbürste und Zahnpasta, denn wir hatten uns seit Monaten nicht mehr die Zähne putzen können. Bald bekamen wir alle Zahnbürsten von den anderen Soldaten, die sich zu uns gesellten. Wir dankten ihnen für ihre Freundlichkeit und machten uns auf den Weg zum Friedhof. Langsam liefen wir zwischen den Bäumen hindurch. Es war ein gutes Gefühl, in Freiheit herumzugehen.
    Es dauerte nicht lange, da bemerkten wir zu unserer Rechten eine Lichtung, die von einem weißen Zaun umgeben war, und erkannten den Friedhof. Wir betraten ihn und ein Mann kam über die Lichtung auf uns zu. Er fragte uns auf Polnisch, was wir wollten, oder jedenfalls dachten wir, dass er das fragte. Ich nahm an, dass er den Friedhof bewachte, und reichte ihm ein Stück Papier mit Lenis Namen. Er ging zu einer kleinen Hütte unter den Bäumen, und als er zurückkam, deutete er auf einen Platz in der zweiten Reihe frischer Gräber.
    Die erste lange Reihe der Massengräber war schon voll, und
    Lenis Körper war in der zweiten Reihe begraben worden, die gerade erst angefangen worden war. Wir standen still vor der Stelle, die der Pole uns gezeigt hatte, und dachten, wie traurig es war, dass Leni nicht mit uns zusammen die Freiheit genießen konnte.
    Maurice stand mit gesenktem Kopf da, aber er weinte nicht. Er hatte keine Tränen mehr. Ich konnte sehen, wie erleichtert er war, zu wissen, wo Leni ruhte. Ich drehte mich um und betrachtete die Bäume in der Nähe und merkte mir, wie weit Lenis Grab vom Eingang entfernt war. Ich wollte nicht vergessen, wo wir unsere Leni zurücklassen mussten.
    Dann standen wir wieder vor dem Friedhof und überlegten, was wir jetzt tun sollten. Iesie erinnerte uns daran, dass wir ein Huhn finden wollten. Wir folgten der Straße und wurden wieder vergnügter, je weiter wir den Friedhof hinter uns ließen. Etwa eine Viertelstunde später trafen wir auf einen Bauernhof. Es muss Mittagessenszeit gewesen sein, denn der Bauer und seine Familie saßen auf der Wiese, in der warmen Sonne, und aßen. Als wir näher kamen, stand die Frau auf und sagte etwas zu den anderen, bevor sie ins Haus ging. Langsam zogen sie sich alle ins Haus zurück, außer einem etwa zwölfjährigen Mädchen. Sie blieb sitzen und schaute uns neugierig an. Wie die anderen ihrer Familie auch, sah sie dick und rosig aus, strotzend vor Gesundheit. Nein, sie hatten im Krieg nicht gehungert. Sie waren gut genährt. Wie sollte man glauben können, dass sie nichts von dem gehört oder gewusst hatten, was nur ein paar Kilometer entfernt in Bergen-Belsen geschehen war?
    Der Vater kam aus dem Haus und rief das Mädchen hinein. Iesie näherte sich dem Mann und fragte ihn, ob wir ein Huhn haben könnten. Der Mann schüttelte den Kopf und drängte seine Tochter zur Eile. Schnell verschwanden sie im Haus und schlossen die Tür fest hinter sich. Eine Weile lang standen wir da, unschlüssig, was wir als Nächstes tun sollten. Da und dort sahen wir ein Huhn, das neben dem Haus scharrte, aber die
    Angst in uns »funktionierte« noch immer, und wir waren, trotz unserer vorigen Angeberei, immer noch zu verschreckt, es einfach zu fangen und mitzunehmen.
    Wie gingen weiter. Die Landstraße war verlassen, die Sonne schien auf die Felder, die sich vor uns erstreckten. Außer dem Gesang der Vögel war nichts zu hören. Jackie und Max gingen voraus, Iesie und Loukie folgten, Maurice und ich bildeten die Nachhut. Nach einer Weile blieben Max und Jackie stehen und warteten auf uns.
    »So weit das Auge reicht, gibt es kein anderes Haus, und Jackie und ich sind sehr müde«, sagte Max. »Deshalb denke ich, wir sollten lieber zurückgehen.«
    Iesie war unglücklich, weil wir seiner Meinung nach zu schnell aufgaben, aber Maurice und Loukie wollten ebenfalls zurückgehen, denn wir hatten uns, ohne es zu merken, sehr weit von den Häusern entfernt, in denen wir untergebracht waren. Wir konnten es nicht einmal mehr sehen. Ich stand ganz hinten in unserer kleinen Gruppe, als ich sah, wie sich etwas im hohen Gras bewegte und zwei englische Soldaten mit angelegten Gewehren auftauchten, was sehr bedrohlich aussah. Ich fühlte, wie sich meine Nackenhaare sträubten und erkannte die Gefahr, in der wir uns befanden.
    »Halt! Nicht bewegen!«, schrie einer der Soldaten.
    Wir sechs blieben wie erstarrt stehen. Während uns der

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