Wir lassen sie verhungern
schweigend und unbeweglich am Rande des mit kleinen Kreuzen übersäten Feldes. Cicero bemerkte meine Ergriffenheit. Er versuchte, mich zu trösten: »Hier bei uns in Ceará begraben wir diese Kleinen mit offenen Augen, damit sie leichter den Weg zum Himmel finden.«
Der Himmel ist schön in Ceará, immer mit hübschen weißen Wölkchen betupft.
59 Wie alle großen Bistümer in Brasilien besitzt auch dasjenige von Crateùs einen prachtvollen Bischofspalast. Seit seiner Ernennung im Jahr 1964 weigert sich Fragoso, dort zu residieren. Dom Antônio Batista Fragoso, der in einer kleinen Ortschaft im Bundesstaat Paraiba geboren wurde, starb 2006 mit 82 Jahren.
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Gott ist kein Bauer
Der Kampf gegen den Hunger wird ausschließlich von der makroökonomischen Situation, das heißt, dem Zustand der Weltwirtschaft, bestimmt.
2009 kündigte die Weltbank an, dass die Zahl der Menschen, die in »extremer Armut« lebten, das heißt, weniger als 1,25 Dollar täglich zur Verfügung hätten, infolge der Finanzkrise sehr rasch um 89 Millionen zunehmen würde.
Die Zahl der »Armen« – mit einem Einkommen von weniger als 2 Dollar pro Tag – würde um 120 Millionen ansteigen.
Diese Vorhersagen sind eingetroffen.
Diese zusätzlichen Millionen Opfer kommen zu den Opfern des gewöhnlichen strukturellen Hungers hinzu.
2009 ist die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts aller Länder der Erde zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg zum Stillstand gekommen oder zurückgegangen. Die Industrieproduktion ist weltweit um 20 Prozent gefallen.
Die Länder des Südens, die sich am nachdrücklichsten um die Eingliederung in den Weltmarkt bemüht haben, sind heute am härtesten betroffen: 2010 kam es zum stärksten Einbruch des Welthandels seit achtzig Jahren. 2009 ist der Kapitalfluss in die Länder des Südens – vor allem in die Schwellenländer – um 82 Prozent zurückgegangen. Die Weltbank schätzt, dass 2009 die Entwicklungsländer zwischen 600 und 700 Milliarden Dollar an Investitionskapital verloren haben.
Da die globalen Finanzmärkte ausgetrocknet waren, fehlte es an privatem Kapital.
Zu dieser Schwierigkeit gesellte sich – vor allem in den Schwellenländern – noch die hohe Verschuldung der Privatunternehmen bei westlichen Banken. Laut der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung (UNCTAD) sind 2010 Kredite in Höhe von fast 1000 Milliarden Dollar fällig geworden. Was angesichts der Zahlungsunfähigkeit zahlreicher Unternehmen in den Ländern des Südens eine Kettenreaktion ausgelöst hat: Konkurse, Fabrikschließungen und Wellen der Arbeitslosigkeit.
Die armen Länder wurden noch von einer zusätzlichen Plage heimgesucht: Für viele von ihnen machten die Devisen, die die nach Nordamerika und Europa emigrierten Arbeiter in ihre Heimatländer überwiesen, einen wichtigen Teil ihres Bruttoinlandsprodukts aus. So beliefen sich in Haiti diese Überweisungen 2008 auf fast 49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Guatemala auf 39 Prozent, in El Salvador auf 61 Prozent. Nun gehörten aber in Amerika und Europa die Immigranten zu den ersten, die ihre Stellung verloren. Dadurch haben sich die Überweisungen stark verringert oder sind gänzlich versiegt.
Mit ihrem Spekulationswahn haben die Räuber des globalisierten Finanzkapitals den westlichen Industriestaaten 2008/09 Kosten von insgesamt 8900 Milliarden Dollar verursacht. Vor allem haben die westlichen Staaten Tausende von Milliarden Dollar ausgeschüttet, um ihren kriminellen Bankern wieder auf die Beine zu helfen.
Doch die Ressourcen dieser Staaten sind nicht unbegrenzt, ihre Entwicklungs- und humanitäre Hilfe für die ärmsten Länder ist dramatisch gesunken. Die Schweizer NGO Erklärung von Bern (das ist der offizielle Name der NGO) hat folgende Rechnung aufgemacht: Die 8900 Milliarden Dollar, die die Regierungen der Industriestaaten 2008/09 an ihre jeweiligen Banken gezahlt haben, entsprechen 75 Jahren staatlicher Entwicklungshilfe … 60
Die FAO schätzt, dass mit einer fünfjährigen Investition von 44 Milliarden Dollar in den Nahrungsmittelanbau der Länder des Südens das erste Millennium-Entwicklungsziel erreicht werden könnte. 61 Es wurde schon gesagt, dass nur 3,8 Prozent der Ackerflächen Schwarzafrikas bewässert werden. Wie seit 3000 Jahren praktiziert die überwältigende Mehrheit der afrikanischen Bauern noch heute die Regenwirtschaft mit all den Unwägbarkeiten und tödlichen Gefahren, die ihr innewohnen.
In einer Studie vom Mai
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