Wir lassen sie verhungern
einfachen Grund: Sie ist ausgeblutet.
Die FAO ist eine zwischenstaatliche Organisation. Doch sie wird von den Mogulen der transkontinentalen Agrarkonzerne bekämpft, die den globalen Agrar- und Lebensmittelmarkt weitgehend beherrschen. Diese Konzerne üben einen entscheidenden Einfluss auf die führenden westlichen Staaten aus.
Das Ergebnis: Diese Regierungen kümmern sich nicht um die FAO, beschneiden Jahr für Jahr ihr Budget und boykottieren die in Rom organisierten Weltkonferenzen über Ernährungssicherung.
Rund 70 Prozent der mageren Zahlungen an die FAO schlucken fortan die Gehälter ihrer rund 1800 Mitarbeiter, von denen die meisten am Hauptsitz in Rom arbeiten. Von den verbleibenden 30 Prozent werden 15 Prozent an eine Unzahl von externen »Beratern« ausgeschüttet. Sodass nur 15 Prozent für die Finanzierung genossenschaftlicher Techniken, für die Entwicklung der Landwirtschaft des Südens und für den Kampf gegen Hunger bleiben. 184
Seit einigen Jahren wird die Organisation heftig kritisiert, allerdings größtenteils zu Unrecht, da die Industriestaaten schuld daran sind, dass der FAO die Möglichkeiten zum wirksamen Handeln genommen sind.
1989 hat der englische Autor Graham Hancock ein inzwischen mehrfach wieder aufgelegtes Buch veröffentlicht: Händler der Armut . Wohin verschwinden unsere Entwicklungsmilliarden? Die FAO sei, so Hancock, nichts als eine riesige, armselige Bürokratie, die infolge einer endlosen Reihe von kostspieligen Kongressen, Tagungen, Komitees und Kundgebungen aller Art nur noch Armut, Unterernährung und Hunger verwalten könne. In ihrer täglichen Praxis verkörperten die Bürokraten der Caracalla-Thermen das exakte Gegenteil dessen, was das ursprüngliche Projekt von Josué de Castro vorgesehen habe.
Hancocks vernichtende Schlussfolgerung: »Aus alledem ergibt sich das Bild einer Institution, die von ihrem Weg abgekommen ist und ihren ursprünglichen Auftrag aus den Augen verloren hat, einer Institution, die ihren Platz in der Welt nicht mehr kennt, die nicht weiß, was exakt sie eigentlich tut und warum.« 185
Die Zeitschrift Ecologist erweist sich als noch gnadenloser. In einer Sondernummer aus dem Jahr 1991 hat sie zahlreiche Aufsätze von angesehenen internationalen Fachleuten – unter anderem Vandana Shiva, Edward Goldsmith, Helena Norberg-Hodge, Barbara Dinham, Miguel Altiera – zusammengestellt. Der Titel: World UN Food and Agricultural Organization. Promoting World Hunger .
Falsche Strategien und Verschwendung riesiger Summen durch nutzlose Aktionspläne und falsche Wirtschaftsanalysen hätten dazu geführt, dass sich die Tragödie des Welthungers nicht verringert, sondern noch verschlimmert habe. 186
Rigoros auch das Urteil der Londoner BBC über die regelmäßig von der FAO veranstalteten Gipfel: Sie seien nur waste of time , nichts als Verschwendung von Zeit … und Geld. 187
Nach meiner Meinung muss die FAO, selbst wenn diese Kritik in manchen Punkten angebracht sein sollte, bedingungslos verteidigt werden. Vor allem gegen die Kraken des Agrarmarktes und ihre Komplizen in den westlichen Regierungen.
2010 haben die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vereinigten Staaten ihre Bauern – zur Förderung von Produktion und Export – mit 349 Milliarden Dollar unterstützt. Besonders die Exporthilfen sind für das Agrardumping verantwortlich, das von den reichen Ländern auf den Märkten der armen Länder praktiziert wird. Der südlichen Hemisphäre hat das Not und Hunger gebracht.
Im Vergleich dazu: Das normale Jahresbudget der FAO beläuft sich auf 349 Millionen Dollar, beträgt also ein Tausendstel dessen, was diese mächtigen Länder für die weit geringere Zahl ihrer eigenen Landwirte ausgeben.
Wie soll es die Organisation unter diesen Bedingungen anstellen, ihre Agenda auch nur teilweise abzuarbeiten?
Der Begriff Monitoring bezeichnet bei der FAO eine Strategie der Transparenz, der Kommunikation und des Bestrebens, ständig und detailliert die weltweite Entwicklung von Unterernährung und Hunger zu überwachen. Auf allen fünf Kontinenten werden die gefährdeten Gruppen Monat für Monat erfasst und klassifiziert; Element für Element und Region für Region wird der Mangel der verschiedenen Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralien und Spurenelemente) registriert.
Ein ununterbrochener Strom von Statistiken, Graphiken und Berichten ergießt sich aus dem römischen Palast: Kein Mensch, der zum unabsehbaren Heer
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