Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
abzugreifen«: als Versuch also, von einem in genetischer Hinsicht attraktiven Mann schwanger zu werden, um dann wieder zum bisherigen Partner zurückzukehren, auf dass der dann bei Aufzucht des Kindes behilflich ist. Auch Frauen, für die eine Schwangerschaft etwas viel Verbindlicheres ist als für Männer, neigen also durchaus zu Seitensprüngen – nur dass für sie dabei mehr auf dem Spiel steht.
Es kann also in der Tat evolutionäre Gründe haben, wenn eine Frau mittleren Alters sich auf eine Affäre einlässt, und nur so erklärtsich auch, warum der Prozentsatz der fremdgehenden Middle-Ager-Frauen kaum niedriger ist als von Middle-Ager-Männern (laut Statistik irgendwo zwischen 10 und 30%). Außer-dyadischer Sex kann für Frauen auch aus hedonistischen Gründen reizvoll sein – hier ist laut Statistik die Wahrscheinlichkeit, einen Orgasmus zu erreichen, deutlich höher als in der Ehe.
Über weite Strecken ihrer Geschichte waren die Menschen wenig bekleidet, konnten sich zum Liebesspiel ins Private zurückziehen und mussten sich keinem Vaterschaftstest unterziehen. Ist es also ein Wunder, dass Middle-Ager beider Geschlechter manchmal unanständige Gedanken haben?
À propos unanständig, es gibt eine ganze Reihe von Belegen dafür, dass die heutigen Middle-Ager es in romantischer und sexueller Hinsicht faustdick hinter den Ohren haben. Menschen flirten aus vielerlei Gründen – um Lang- oder Kurzzeitpartner anzuziehen, aus purer Langeweile, um sexuelle Begierde zu wecken, um sich selbst zu bestätigen, um sich als sexuell ausdauernd darzustellen oder um beim Partner die Wachsamkeit anzuregen –, und im Middle-Age tritt das alles viel stärker zutage als in jungen Jahren. Waren damalige Werberituale mit vorsichtigem Tasten und langen Wartezeiten verbunden, kommt man im Middle-Age gern schnell auf den Punkt. Es hat jedoch den Anschein, als ginge es beim mittel-alterlichen Flirten weniger darum, einen neuen Partner zu interessieren, als vielmehr darum, den bereits vorhandenen zu manipulieren. Sexuelle Eifersucht ist ein Phänomen, das von Evolutionsbiologen vermehrt unter die Lupe genommen wird. Man hält sie heute für etwas Positives, für etwas, das dazu dient, schlimme Vorkommnisse zu verhindern: etwa, dass man den Partner verliert, sozialen Status einbüßt, Fürsorge an den Nachwuchs fremder Frauen verschwendet oder ohne es zu wissen anderer Leute Kinder aufpäppelt. Diese Anlässe zur Eifersucht stellen Bedrohungen bis ins Middle-Age dar, und ab da lassen jadie nicht mit Eifersucht verbundenen Anreize, einen Partner bei der Stange zu halten – also, gutes Aussehen und hohe Fruchtbarkeit –, stark nach. Verrückterweise kann also im Middle-Age die sexuelle Eifersucht immer größer und relevanter werden, auch wenn Partner oder Partnerin für Außenstehende immer uninteressanter werden.
Wie an den Zahlen abzulesen ist, kann dieser gärende Sexualtrieb im Middle-Age zu einem Verhalten führen, über das dieselben Menschen früher den Kopf geschüttelt hätten. Tatsächlich machen mittel-alterliche Eltern oft genug genau die »unverantwortlichen« Dinge, vor denen sie ihre Teenagerkinder regelmäßig warnen. Einer britischen Studie zufolge gab ein Fünftel der Befragten zwischen fünfundvierzig und fünfundfünfzig an, ungeschützten Sex mit jemand anderem als dem Langzeitpartner gehabt zu haben. Laut einer amerikanischen Statistik sind bei Frauen über vierzig sage und schreibe 51% der Schwangerschaften ungewollt, und in Großbritannien ist der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen zwischen vierzig und fünfundvierzig genauso hoch wie bei Mädchen unter sechzehn. Das kann nun daran liegen, dass Middle-Ager-Frauen das Risiko einer Schwangerschaft unterschätzen, weil in den Medien ständig verkündet wird, ältere Frauen seien unfruchtbar, oder weil Gesundheitsorganisationen zu einer Verhütung im Alter selten Angaben machen. Wobei meiner Ansicht nach die Gründe für dieses »verantwortungslose« Verhalten eher in einem evolutionär bedingten, tief in uns verankerten Antrieb liegen, der entstanden ist, weil sich »Verantwortungslosigkeit« für einen Middle-Ager in evolutionärer Hinsicht ungemein auszahlen kann. Die hohe Anzahl ungewollter Schwangerschaften im Middle-Age könnte also an weiblichen »Gen-Abgreifungen« genauso liegen wie an männlichen »Geheimmissionen«.
Passend dazu treten auch erstaunlich oft Krankheiten auf, diedurch Geschlechtsverkehr übertragen werden. In
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