Wir müssen leider draußen bleiben
beider Bücher rührt von einem großen Unbehagen in der Bevölkerung her, von einer Sehnsucht, die in beiden Büchern auf literarischem Niveau, ja: poetisch artikuliert wird.
Der kommende Aufstand sorgte jedoch gleichzeitig für viel Argwohn: »Das Buch ist der aktuellste Versuch, ultralinker Politik ein glamouröses Antlitz zu verpassen. Situationismus, Autonomen-Anarchismus und Punkpoesie werden darin zu einem knackig formulierten Pamphlet gemixt«, schrieb abfällig die taz in ihrer Rezension mit dem Titel » Revolution mit Melancholie « . These: »Nichteinverstanden sein einfach gemacht«.
Man kann den Aufruf zur Anarchie, die Idee, dass sich alles schon fügen wird, wenn erst einmal die Autoritäten entmachtet sind, man kann also den letzten Teil des Kommenden Aufstands durchaus kritisieren. Doch was ist einzuwenden gegen Poesie und Melancholie? Brauchen wir nicht genau diese Romantik, wenn es darum geht, Ideen dafür zu finden, wie wir alle auf dieser Welt friedlich zusammen leben wollen? Müssen wir nicht eher zu naiven Träumern werden, statt uns im lauen Pragmatismus einzurichten, der nur Stillstand bedeutet?
Die kalte Logik der Marktwirtschaft ist es doch, die alles abtötet, was den Mensch zum Menschen macht: Geist, Phantasie, Sehnsucht. Träume, Muße, Traurigkeit. Gerechtigkeitsempfinden. Mitgefühl. Das Primat der freien Marktwirtschaft, das den Wettbewerb in jedweden Bereich des Lebens trug, hat unser Miteinander vergiftet. Es hat uns zu ängstlichen Konkurrenten werden lassen und uns in einen Kampf gegeneinander geschickt. Angst und Verzweiflung sind kein Fundament für eine Gesellschaft, sie hemmen die Entfaltung des Einzelnen, sie zerstören Solidarität, Empathie und Sicherheit. Kein Wunder, dass die Marktapologeten jeden Funken solidarischen Denkens arrogant als »notorisches Gutmenschentum« wegbrüllen und als »politische Korrektheit« verhöhnen. Und dass sie jedem Gedanken an gesellschaftliche Gleichheit sofort kommunistische »Gleichmacherei« unterstellen. Als wäre der Kapitalismus gleichbedeutend mit Demokratie. Dabei zeigt gerade das viel beschworene Wirtschaftswachstum in China, dass Kapitalismus sehr gut ohne Demokratie auskommt. Die beiden britischen Wissenschaftler Kate Picket und Richard Wilson haben in ihrem Buch Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind sämtliche Studien zum Thema zusammengetragen. Das unleugbare Ergebnis: Ungleichheit macht unglücklich, krank und aggressiv. Ein Beleg dafür, dass die Gesellschaft vom freien Wettbewerb irgend wo in der Welt auf irgend eine Weise profitiert, bleiben dessen Apologeten hingegen schuldig.
Man hat uns erzählt, Banken seien »systemrelevant«. Doch was ist das für ein System, da selbst Wetten auf Nahrungsmittel erlaubt, die Hunger und Tod bedeuten? In dem man den Ärmsten nicht hilft, sondern sie zu »Unternehmern« ihres Schicksal macht? In dem private Schulden die Armut abschaffen sollen? In dem die Reichen zu Opfern und die Armen zu Tätern stilisiert werden? In dem man Menschen auf der ganzen Welt zu Sklaven des Konzernprofits? Ist das ein System, das für uns relevant ist?
Man legt uns nahe, dass die Wirtschaft zu kompliziert für uns ist – und das jeden Abend in den Hauptnachrichten, wenn wir minutenlang von Börsenberichten belästigt werden, in denen der Casinokapitalismus immer wieder aufs Neue seine Weihen erhält. 525 Ist die Wirtschaft wirklich so kompliziert? Ist der Umstand, dass das Weltwirtschaftssystem die Armen ärmer und die Reichen reicher macht, tatsächlich so schwer zu durchdringen?
Man sagt uns: »There is no alternative.« Doch ist die gegenwärtige Struktur zum Profit der Wenigsten, aber mit verheerenden Auswirkungen für den Großteil der Menschen, wirklich alternativlos? Ist sie wirklich die einzige Möglichkeit, wie wir auf dieser Welt zusammenleben können?
Eine »Lösung«, wie sie die Systemprofiteure von ihren Kritikern verlässlich immer wieder fordern, kann ich hier freilich ebenfalls nicht präsentieren. Es gibt ja nicht eine, es gibt viele Ideen, die zu vielen Lösungen führen könnten. Manches Verbrechen, etwa Spekulationen auf Lebensmittel, könnte von heute auf morgen abgeschafft werden. Auch die Entschuldung der Dritten Welt, eine Verteilung des Reichtums von oben nach unten: All das könnte schnell entschieden werden und wird es womöglich auch, die Geschichte kennt Beispiele dafür. Landreformen in armen Ländern, die es den Menschen
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