Wir müssen leider draußen bleiben
1999 die erste deutsche Gated Community nach US -amerikanischem Vorbild: Arcadia Potsdam. »Arkadien« steht neben dem Hauptportal.
Arkadien, der mythische Ort, wo Menschen ohne irdische Mühen und gesellschaftlichen Anpassungsdruck frei und glücklich wie die Hirten in der Natur leben: Als sich in der Frühen Neuzeit die Territorialstaaten entwickelten und der Hochadel unter Legitimationsdruck geriet, entstand aus dem Schäferidyll die Sehnsucht, ein Leben jenseits gesellschaftlicher Zwänge zu führen. Aus diesem Eskapismus heraus entwickelte die Aristokratie die Idee der individuellen Freiheit – die selbstverständlich die des Großadels meinte. Es sind wohl ähnliche Reichenträume zwischen Größenwahn und Verlustangst, die dazu führten, dass die knapp 50 Appartments zum Quadratmeterpreis von 5 500 Euro ausverkauft sind.
Ein Klingelschild ohne Namen sagt: unbekannte Besucher unerwünscht. Einlass wird nur dem gewährt, der angemeldet ist, dafür sorgt der 24-Stunden-Wachdienst. Journalisten jedenfalls sind nicht mehr willkommen; die Anwohner lassen ausrichten, sie wünschten, in Ruhe gelassen zu werden. Schon klar, dafür bezahlen sie ja schließlich. Zum Beispiel 1 300 Euro pro Monat und Haushalt allein für den Sicherheitsdienst. Als vor ein paar Jahren die ersten Eigentümer nach Arcadia Potsdam zogen, gab es großen Medienrummel. Dabei ist ein abgeschlossenes Reichenghetto vor den Toren des wilden Berlins, mitten in einer gepflegt verschlafenen Gegend, wo sich auch sonst nur die Oberklasse wohnt, ziemlich lächerlich. Man fragt sich, wovor diese Leute Angst haben. Vor Günther Jauch oder Wolfgang Joop, deren Villen auf der anderen Seite der Glienicker Brücke stehen?
Uwe-Peter Braun fungierte lange Zeit als eine Art Pressesprecher von Arcadia. Bereitwillig zeigte der Unternehmer sein 270 Quadratmeter großes Penthouse, angefüllt mit protzigem Reichen-Trash, mit barock bemalten Wänden und gesichert mit einer zusätzlichen Alarmanlage. Dass er und seine Frau echte Dali- und Picasso-Zeichnungen besitzen, einen schwarzen Flügel und einen Sekretär, der einmal Napoleon gehörte – das war bereits bei Spiegel Online , im Manager Magazin und in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Seine Frau Andrea, eine Meranerin mit langen schwarzen Haaren, sagt, dass sie froh sei, wegfahren und sicher sein zu können, dass alles noch da ist, wenn sie wiederkommt. Sie sagt, sie fühle sich frei, weil sie in der Tiefgarage keine Angst haben müsse. Auch Uwe-Peter Braun betont vor allem den Sicherheits aspekt: »Bei uns nimmt auch die Verarmung zu, die Sicher heitslage verschärft sich, da ist es wichtig, dass man sich abschottet.« 169
Laut Bundeskriminalamt ging die Anzahl der Wohnungseinbrüche in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel zurück. 170 Die Bedrohung durch Arme ist allenfalls eine gefühlte, jedenfalls in der Villengegend von Potsdam, wo einem Armut ganz sicher nicht im Alltag begegnet. Schon gar nicht, wenn man sich zusammen mit anderen Reichen freiwillig wegsperren lässt. Die Sicherheit, die die Bewohner so gerne betonen, ist hier vor allem ein Statussymbol, ein Ausweis von Exklusivität. Der Zaun ist in Potsdam lediglich ein besonders vulgäres Symbol demonstrativen Reichtums. Man setzt sich hier nicht gegen Arme ab, sondern gegen andere Reiche. Wer hat den längeren Zaun, die höheren Masten – eine comparatio genitalis sozusagen: Schwanzvergleich unter Reichen und Gebildeten.
Schöner wohnen im Krisengebiet
»Damit Sie sorglos in Ihren wohlverdienten Urlaub reisen können, bietet Ihnen unser Sicherheitssystem einen Rundumschutz Ihrer Residence. Moderne Sicherheitskonzepte machen dies möglich. Service, Luxus und Sicherheit sind für uns oberstes Gebot, um das Wohnen in unserer Central-Park-Residence für Sie so angenehm wie möglich zu machen.« 171 Das liest man auf der Homepage der Central Park Residence. Die zweite Gated Communty Deutschlands entsteht nicht am Stadtrand, sondern mitten im Zentrum von Leipzig am Clara-Zetkin-Park. Quadratmeterpreis: bis zu 4500 Euro. Die Appartements in den beiden Häusern, die sich geschmack lich ebenfalls zwischen Mittelmeer und Gründerzeit bewegen, sind beinahe ausverkauft. Um die Anlage läuft ein schmie deeiserner Zaun, eine Standleitung zur Polizei ist immer geschaltet für den Fall, dass jemand versucht, über den Zaun zu klettern; geplant war außerdem ein Wachmann. Warum nicht gleich eine Selbstschussanlage? Schließlich hält man auch sonst
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