Wir müssen leider draußen bleiben
geraten, als sich in Indien 54 Menschen das Leben nahmen, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. 336 Wurde Yunus wegen dieses Imageverlustes nicht herbeigebeten? Veranstalter Spiegel dementiert: Man habe ihn nicht eingeladen, weil man sich diesmal nicht ausschließlich mit »Social Business« beschäftigen wolle. Er rufe aber alle Journalisten auf, sich mit dem »Skandal« der Entlassung Yunus’ zu beschäftigen. 337 Die Anhänger des Bankers vermuteten in der Amtsenthebung eine politische Verschwörung: Die Regierung wolle sich seinen Erfolg und seine Macht »unter den Nagel reißen«. Auffallend ist jedoch, dass auch die Konzerne fehlen, die Joint Ventures mit dem Friedensnobelpreisträger gegründet haben. Weder Adidas noch Otto noch BASF sind nach Potsdam gekommen. Selbst das Grameen Creative Lab, die deutsche Vertretung von Muhammad Yunus, blieb der Veranstaltung fern.
Einzig Danone war vor Ort – um ein weiteres Mal das »Best Practice-Beispiel« vorzustellen, mit dem »Social Busi ness« weltweit bekannt wurde 338 : 2006 eröffnet der Weltmarkt führer bei Milchprodukten in Kooperation mit Muhammad Yunus in Bangladesch eine »soziale Joghurtfabrik«. Dort soll ein mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherter Joghurt hergestellt werden, der Kinder vor Mangelernährung schützen und den sich die Armen leisten können sollen. Bei Grameen Danone sollen Menschen aus der Umgebung arbeiten, die Milch von Kleinbauern aus der Region stammen und arme Frauen sich ein Einkommen schaffen, indem sie den Joghurt als »Sales Ladies« an arme Familien auf dem Land von Tür zu Tür verkaufen. Danone – Sponsor des Weltrettungsevents – erhielt dafür 2009 den Vision Award. In den Medien wurde das Projekt durchgehend als Best Practice-Beispiel für Social Business vorgestellt. Doch an diesem Tag betonte Andreas Knaut, damals noch Corporate Communications, Health and Sustainability bei Danone 339 , dass man nicht nur mit Yunus »Social Business« am Start habe, sondern weltweit 30 solcher Projekte »on place«. 340
Die Redner auf der Veranstaltung geben sich alle Mühe, genauso viel Pathos zu verbreiten wie der Nobelpreisträger, um das »neue soziale Wirtschaftswunder« zum »größten aller bisherigen Wirtschaftswunder« (Peter Spiegel) zu machen. 341 Einer der Redner ist Peter Endres, Vorstandsvorsitzender der Ergo-Versicherung. Er darf hier den neuen Werbespot zeigen, schließlich ist sein Konzern »Premiumsponsor«. Nur sechs Wochen nach der Weltrettungs- wird eine andere Sause bekannt, zu der 2007 die im Konzern aufgegangene Hamburg-Mannheimer Versicherung ihre besten Mitarbeiter in den Puff nach Budapest geschickt hat. Die 83 000 Euro, die dieser Spaß kostete, konnte Ergo anschließend immerhin als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen. 342
Die Referenten haben penetrant gute Laune, der Saal steht kurz vor gemeinsamem Zwangsschunkeln. Alles wirkt wie eine bizarre Mischung aus Esoterik-Messe, Sektenseminar und Ma nager-Motivationstraining: »Lassen Sie uns Denkschranken lö sen!« Tschaka, tschaka! Im Hörsaal spricht Franz Alt; der Hobby-Ökologe und professionelle Magier, der seit 40 Jahren als »Francesco Altini« auftritt, untermalt seinen Vortrag mit symbolträchtigen Bildern der Erdkugel und der Sonne. Ich glaube kurz, mich verhört zu haben, als er Agrar-Energie als Perspektive für die Zukunft präsentiert und darüber schimpft, dass die Deutschen kein E 10 tanken wollen. Dass dies ein kapitaler Irrtum ist, haben selbst Institute wie Weltbank und OECD verstanden. 343 Nicht aber Franz Alt. Der zeigt ein Bild von einem Bauern, der auf einem Feld mit Schilfgras steht, und ruft in den Applaus: »Der Mann hat was verstanden. Er ist jetzt nicht mehr Landwirt, sondern Energiewirt!«
Danone, der liebe Weltkonzern
Anfang März 2010 treffe ich Ramin Khabirpour, den Geschäftsführer von Danone Deutschland, zum Gespräch über die »Soziale Joghurtfabrik« in Bangladesch.
Es ist mein zweites Interview für die Zeitschrift Enorm , die sich mit Sozialem Unternehmertum beschäftigt. Für meine Interview-Serie Hartmann! konfrontiere ich Vertreter von Konzernen wie Ikea, Starbucks und McDonald’s, die ihr Öko- und Sozialengagement besonders deutlich betonen, mit den schädlichen Auswirkungen ihres Kerngeschäfts. Über jenes von Danone gibt es eine Menge Material.
Danone ist der zweitgrößte Milchproduzent der Welt. Der Konzern hat Niederlassungen in 120 Ländern und macht einen Umsatz von 15 Milliarden
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