Wir neuen Großvaeter

müsste Deutschland längst in der Spitzenposition angekommen sein – beziehungsweise sie niemals verlassen haben.
    Wenn wir darauf schauen, welche Faktoren Schüler und Schulen in anderen Ländern erfolgreich machen, dann tauchen in allen etablierten Bildungsnationen immer wieder drei Erfolgsmuster auf: gute Lehrer, gerechte Bildungschancen und eine klare Unterstützung von Bildungsmaßnahmen durch die Politik.
    Was im Kindergarten spielerisch begann, wird später eingefordert: Leistung. Schreiben und Lesen lernen ist für die meisten Kinder mühsam. Vermutlich aber ist die wichtigste Voraussetzung, diese Mühsal durchzustehen, das Vorbild in der
Familie. Wenn die Kinder dort erleben, dass Schreiben und Lesen offensichtlich wichtig, etwas Nützliches oder gar Kostbares sind, dann wollen sie es selbst können. Wenn die Erwachsenen dagegen selbst wenig schreiben, wenn das Telefonat mit dem Großvater den Geburtstagsbrief ersetzt, wenn Lesen daheim keine Rolle spielt und über Bücher kaum ernsthaft oder gar begeistert gesprochen wird, warum sollten die Kinder dann das Lesen und Schreiben wichtig oder gar toll finden?
    Gute Leistungen erzielen in der Regel auch Schüler, die aus einem lesefreudigen Elternhaus kommen. Väter, Mütter, aber auch die Großeltern tragen zu späteren Schulerfolgen bei, wenn sie ihren Schutzbefohlenen schon von klein auf vorlesen.
    Ob die heutigen Schulanfänger einmal in einem Beruf erfolgreich sind, wird in frühen Kindheitstagen entschieden. Dort wird der Grundstein dafür gelegt, ob sie einst ihr Leben glücklich und erfolgreich gestalten oder schlapp und unfähig darauf warten, dass die gebratenen Tauben doch noch eines Tages vorbeifliegen. Gute Startchancen haben Kinder, die in einem harmonischen Familienverbund aufwachsen, in dem Bildung kein Fremdwort ist. Entscheidend dürften Persönlichkeit und Lebenserfahrung von Eltern und Großeltern sein, deren Prinzipien und Weltanschauungen und deren Talent, auch kritische Situationen zu meistern.
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    Umso bravouröser ist es zu bewerten, dass es auch Kindern gelingt, Spitzenplätze zu erobern, die keineswegs aus einem solch privilegierten Umfeld kommen. Die Welt ist voller erstaunlicher Biografien von Menschen, die als Künstler, Philosophen,
Wissenschaftler und Politiker Höchstleistungen vollbracht haben – Erfolge, die ihnen nicht an der Wiege gesungen wurden.
    Am Tage der Veröffentlichung der letzten PISA-Studie im Dezember 2010 wurde in Stockholm der Nobelpreis für Literatur an den Schriftsteller Mario Vargas Llosa verliehen, dessen Dankesrede ein einziges Lob auf das Lesen und die Fantasie darstellte.
    Â»Mit fünf Jahren habe ich in der Klasse von Bruder Justiniano in der Schule De La Sale von Cochabamba, Bolivien, lesen gelernt«, sagte Mario Vargas Llosa, der 1936 in Peru geboren wurde. »Es ist das Wichtigste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Beinahe siebzig Jahre später erinnere ich mich noch deutlich, wie diese Magie, die Worte der Bücher in Bilder zu übersetzen, mein Leben bereichert hat: die Grenzen von Zeit und Raum zu durchbrechen, mit Kapitän Nemo zwanzigtausend Meilen unter dem Meer zu reisen, Seite an Seite mit d’Artagnan, Athos, Portos und Aramis zu kämpfen. Das Lesen verwandelte Traum in Leben und Leben in Traum und machte mir kleinem Kerl das Universum der Literatur zugänglich.«
    Das erste Buch, das unsere Töchter Julia und Miriam etwa im Alter von vier Monaten zu Gesicht bekamen, war Guten Tag, liebes Kind von Dick Bruna, ein Bilderbuch ohne Text, wunderbar illustriert und ein echter Baby-Bestseller. Vom gleichen Autor folgte Der Zirkus , fast schon ein Thriller mit einer vollständigen Geschichte. Absoluter Höhepunkt war dann von Attilio Cassinelli und Karen Gunthrop Milli und der Zirkus , in dem eine treudoofe Kuh entdeckte, dass es auch eine Welt außerhalb der Viehweide gibt. Wir haben die Bücher aufgehoben,
sodass auch Leo und Max ihre Freude daran hatten. Ferdinand lernt die Wälzer momentan auswendig.
    Â»Machen Sie die Tür zum Alltag zu und genießen Sie eine Stunde geteilter Abenteuer mit Ihren kleinen Begleitern«, rät die Germanistik-Dozentin Susanne Held. »Reizvoll nicht nur für die Kinder, denen das Vorlesen die fantastischen Geschichtenwelten eröffnet und eine Zeit in unmittelbarer Nähe der Erwachsenen beschert, sondern erhellend auch für