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Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Holbe
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Buch von Hermann Hesse auf ihren Sitz gelegt, in dem sich der Dichter über das Glück und dessen Vergänglichkeit verbreitet.

    Â»Wenn ich lese, will ich mich sammeln«, hat Goethe geschrieben. Er wird gewusst haben, dass die beiden Worte dieselbe Wurzel haben. Lesen bedeutet laut Duden »Verstreutes aufnehmen«. Schon vor langer Zeit entstand so eine Lesekultur ganz unterschiedlicher Art. Menschen von heute lesen Aktienberichte und Kontaktanzeigen. Winzer sind im Herbst mit der Lese von Trauben beschäftigt.
    Menschen, die lesen, machen mich neugierig. In welch ferne Welten haben sie sich zurückgezogen, wer sind die Leute, denen sie begegnen, wie tief sind ihre Gefühle?
    Die Tatsache, dass Sie dieses Buch in Ihren Händen halten, weist Sie als Leser aus. Damit sind Sie in diesen Zeiten etwas ganz Besonderes, eine Ausnahme. Aus den kleinen schwarzen Zeichen auf dem Papier formt sich in Ihrem Kopf eine Welt, die nur Ihnen gehört. Wie schnell ergreifen die Wörter Besitz vom Herzen, ein paar lächerliche Seiten nur! Was uns alles klar wird, plötzlich! Der eine Satz, der alles ändert. Dieses eine Buch, das wir nie vergessen haben.
    Zum Lesen bedarf es keiner Voraussetzung außer der einen: neugierig zu sein. Neugierig auf sich und die anderen. Erfundene Geschichten geben Aufschluss über einen selbst und die Menschen, die um und mit einem leben. Wer konzentriert liest, ist mit sich allein. Und wer sich von einer Geschichte gefangennehmen lässt, führt ein stilles Selbstgespräch. Er schafft sich eine seelische Wirklichkeit und denkt über sich selbst nach. Glücklich darf sich ein Mensch schätzen, der immer wieder gerne hinter den wunderbaren Welten verschwindet, die zwischen Buchdeckeln schlummern.

    Bücher sind Fluchtburgen vor der Welt. Mit einem Buch ist man mit sich allein. Es bereitet Wohlbehagen, provoziert und irritiert, und zwingt schon mal, gewohnte Blickwinkel für kurze Zeit zu verlassen, um neu hinzuschauen.
    Ich muss etwa drei Jahre alt gewesen sein, als mir meine Mutter den Struwwelpeter vorlas, ein zutiefst verstörendes Geschehen. Die Qualen eines brennenden Paulinchens oder der Hungertod des Suppen-Kaspars haben mich bis in meine Träume verfolgt. Noch immer weiß ich die Geschichten dieses Autors, des Frankfurter Nervenarztes Heinrich Hoffmann, nicht so richtig zu werten. Meinen Enkeln jedenfalls habe ich sie bisher erspart. Obwohl wir – welch ein seltsamer Zufall – heute in einem Haus wohnen, wo einst das Hospital stand, in dem Dr. Hoffmann Chefarzt war.
    Mit Winnetou, dem edlen Häuptling der Apatschen, habe ich hingegen ganze Ferienwochen verbracht. Mit Dankbarkeit denke ich noch immer an den alten Karl May und dessen tolle Geschichten: Ob durch die Wüste mit Kara Ben Nemsi oder durch die Prärien Nordamerikas mit Old Shatterhand, stets war ich unerschrockenen Herzens mit dabei. Fünfundsechzig dicke Bände warten darauf, von meinen Enkeln gelesen, ja vielleicht sogar verschlungen zu werden. Es wäre ein Jammer, wenn sie sich nicht von Karl May faszinieren ließen. Vielleicht aber kommt alles anders, und Winnetou und die Seinen verstauben im Regal, weil ihre Zeit endgültig abgelaufen ist.
    Bücher sind die Sterne am Firmament unserer Biografie. In ihnen begegnen wir unserer Kindheit wieder und oft auch den Schmerzen, die uns zugefügt wurden.
    Bücher, die man besitzt, können besessen machen. Doch manchmal sollte man sich von ihnen trennen. Zum Beispiel um Platz zu schaffen für neue Bücher, für neue Welten, die im Kopf entstehen wollen. Jüngst habe ich meine Bibliothek aussortiert. In braunen Kartons verschwanden Romane, Sachbücher, Lexika, Kochbücher und jede Menge Reiseführer, die ein freundlicher Antiquar auf dem Flohmarkt verkaufen wird. Schweren Herzens trennte ich mich von einer Sammlung klassischer Western – von Hopalong Cassidy und dem Duell im Kiowa-County , von Groschenromanen mit Tom Prox, Bill Jenkins und dem Farmerjungen Pete. All den Helden aus der Pionierzeit der Vereinigten Staaten von Amerika danke ich für ihren Einsatz im Dienst der Fantasie. Es waren unvergessliche Stunden.

    Geduld und Zeit
    Â 
    Einen meiner Großväter habe ich kennengelernt, da war ich etwa drei Jahre alt. Der andere Großvater starb vor dem Krieg. Meine Eltern haben mir viel von ihnen erzählt. Inzwischen bin ich selbst Großmutter von vier Enkeln. Mein Mann und ich

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