Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
Vom Netzwerk:
glaube ich, nicht. Da ist sich erst mal jeder selbst der Nächste. Sonst kommt keiner durch. Das ist das Problem.« Er wendet sich ihr zu, beugt sich vor. »Und bei dir? Das Mädchen, mit dem du am Ku’damm gestritten hast? Ist sie deine beste Freundin?«
    »Ja. Das ist Hannah, meine allerbeste Freundin. Aber wir haben nicht gestritten«, erklärt Isabella. »Ich hatte ihr da gerade eröffnet, dass ich allein nach Paris fahren will, ohne sie. Und sie wollte mich warnen. Sie hielt es für Wahnsinn. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, hat sie auch nicht ganz unrecht gehabt. Es ist wirklich einiges schiefgelaufen, anders als geplant. Sie hat sich Sorgen gemacht, und das macht auch Freundschaft aus: dass der andere einem nicht gleichgültig ist …«
    John antwortet darauf nicht. Eine Weile sitzen sie schweigend da und genießen ihr Frühstück. Isabella hat das Gefühl, mit John auf einer einsamen Insel zu sein. Die Zeit steht still und um sie herum rauscht der Alltag. Isabella fühlt sich gut und frei wie ein Vogel.
    »Komm, lass uns gehen«, unterbricht John schließlich ihre Gedanken. »Unser Zug geht in einer Viertelstunde.«
    Er reicht Isabella die Hand, um sie aus dem Stuhl hochzuziehen.
    »Deine Hand klebt«, stellt Isabella lachend fest.
    »Zusammengeklebt mit Erdbeermarmelade, was für ein Schicksal!« John lacht auf, aber dann schweigt er. Plötzlich flackert so etwas wie Angst in seinem Blick auf und er duckt sich. Isabella beobachtet ihn aufmerksam. Denkt er an Saarbrücken und daran, wie es weitergeht?
    »Was ist?«, fragt sie.
    Aber John antwortet nicht, schüttelt nur den Kopf.

Samstag, 14:13 Uhr, Hauptbahnhof Saarbrücken. Isabella kann es kaum glauben. Sie haben es geschafft! Ab hier hat sie ihre alte Fahrkarte. Sie kann sich in den nächsten ICE nach Paris setzen und ist ruckzuck bei Clara. Sie hat ohnehin schon so viel Zeit verloren und auch John ist am Ziel. Hier werden sich ihre Wege trennen.
    Warum nur gefällt ihr der Gedanke nicht? Sie kennen sich doch erst seit ein paar Stunden und trotzdem ist da so etwas wie Vertrautheit.
    Verstohlen betrachtet sie ihn von der Seite. Seine Haare hängen ihm wirr in die Stirn und feine blaue Schatten umgeben seine Augen. Er sieht müde aus und der Geruch nach verschwitztem Jungen umgibt ihn. Aber das genau ist ein Stück ihrer gegenseitigen Vertrautheit. Warum haben sie sich in Göttingen die Hand gegeben? Warum war das gemeinsame Frühstück in Frankfurt so schön?
    Isabella denkt noch einmal über diesen großen Zufall nach, dass auch er eine Schwester hat, um die er sich sorgt. So, dass er alles dafür tut, um sie zu sehen. Genau wie Isabella für Clara. Ist das wirklich nur Zufall?
    Sie überlegt auch, warum er bei ihr geblieben ist. Warum er ihr aus dem Schlamassel geholfen hat, in den er sie, zugegeben, erst hineinbefördert hat. Ist es, weil er sie mag?
    Natürlich könnte Isabella dafür auch eine andere Erklärung finden. Sie kann schließlich eins und eins zusammenzählen: Im Gegensatz zu John hat sie doch noch etwas Geld und sieht nicht ganz so abgerissen aus. Sie sieht an sich hinunter. Na ja, so ganz stimmt das auch nicht mehr. Auf jeden Fall fällt er in ihrer Gesellschaft nicht auf und vielleicht ist auch noch das ein oder andere Essen auf ihre Kosten drin. Ist er deswegen bei ihr geblieben? Für ihn ist doch jeder Tag, an dem er versorgt ist, ein gewonnener Tag.
    Aber das Portemonnaie hat er ihr zurückgegeben und jetzt auch die Fahrkarte. Das hätte er doch gar nicht gemusst. Er hätte mit seiner Beute türmen und sie ohne alles zurücklassen können.
    Und doch kommen ihr wieder Zweifel: Was, wenn die Geschichte mit seiner Schwester nicht stimmt? Aber dann schämt sie sich. Selbst wenn die Geschichte nicht stimmt – kann sie ihm daraus einen Vorwurf machen? Sie denkt an ihr behütetes Leben, ihr schönes Haus, an Mama, an Opa, Oma und ihre Freundschaft zu Hannah. Sie ist geborgen, hat eine Familie, ein Zuhause. Trotz aller Schwierigkeiten mit Clara und Papa. Sie weiß aber, wo sie gemocht wird. Bei ihm ist das wohl nicht so.
    Sie schließt die Augen und wartet, bis der leichte Schwindel, der sie immer wieder befällt, vorüber ist. Verstohlen reibt sie sich den heftig schmerzenden Oberschenkel. Überhaupt hat sie das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmt. So ähnlich ging es ihr in den letzten Weihnachtsferien, als sie mit einer richtigen Grippe eine Woche lang im Bett bleiben musste. Alles sah aus wie in Nebel getaucht … Aber heute

Weitere Kostenlose Bücher