Wir sehen uns in Paris
Ferne.
»Auch das noch.« John seufzt. »Das Beste ist, wir bleiben in der Telefonzelle.« Er legt seine Jacke auf den Boden, damit Isabella es sich wenigstens etwas bequem machen kann. »Isabella?«
Isabella rutscht völlig teilnahmslos an der Telefonzellenwand hinunter und setzt sich auf den Boden. Doch die Zelle ist so eng, dass sie ihr Bein nicht richtig ausstrecken kann. Anwinkeln kann sie es aber auch nicht. Es ist einfach zu stark angeschwollen. John öffnet die Tür und Isabellas Fuß liegt nun draußen im Regen. Aber so geht es einigermaßen, so kann sie es aushalten.
John wählt die Notfallnummer. Sie versprechen, sofort einen Krankenwagen zu schicken.
Während sie auf den Krankenwagen warten, hält John Isabella im Arm. Sie glüht inzwischen richtig, hat einen hochroten Kopf und fiebrig glänzende Augen.
Endlich kommt ein Wagen mit Blaulicht und Rettungssanitätern. John lässt Isabella los und springt auf die Straße, um dem Krankenwagen ein Zeichen zu geben. In Sekunden ist er klatschnass. Das Wasser durchdringt seine dünne Jacke und bei jedem Schritt quillt das Wasser aus seinen löchrigen Schuhen. Doch für ihn ist die Hauptsache, dass sich jemand um Isabella kümmert. Hastig führt er die Sanitäter zur Telefonzelle.
»Was ist passiert?«, fragt einer der Helfer.
»Sie hat sich an einer Glasscherbe verletzt. Das war gestern.« John schluckt. Gestern. Ihm kommt es vor, als wäre seither eine halbe Ewigkeit vergangen.
»Was ist da genau passiert?«, fragt der Arzt.
»Das weiß ich nicht.« John denkt zurück an all den Dreck und das Durcheinander in dem alten Bahnwärterhäuschen. Daher sagt er: »Sie hat sich geschnitten an einer schmutzigen Scherbe.«
Die Sanitäter und der Arzt versorgen Isabella notdürftig, legen sie auf eine Trage und bringen sie rasch in den Krankenwagen. Hier versucht der Arzt, den schmuddeligen Stoff vorsichtig von der Wunde abzuziehen. »Das wurde aber Zeit. Septischer Schock. Gerade noch rechtzeitig …«
John schwirrt der Kopf. Septischer Schock?
»Bist du in letzter Zeit gegen Tetanus geimpft worden?«, fragt der Arzt Isabella.
Die schüttelt den Kopf. »Kann mich nicht erinnern«, stößt sie hervor.
Eine Decke wird ihr übergeworfen, weil sie immer noch am ganzen Körper zittert. Wie kann das sein?, denkt John. Sie hat sich doch so glühend heiß angefühlt.
»Wie heißt sie? Bist du mit ihr verwandt?«, fragt einer der Sanitäter John.
»Das ist Isabella und ich bin ihr Bruder«, sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken. Er lässt sich jetzt nicht abwimmeln. »Sobald wir im Krankenhaus sind, ruf ich unsere Mutter an. Wir kommen aus Berlin.«
John ist froh, dass der Notarzt nicht weiterfragt. Aber die Fragen kommen bestimmt in der Klinik. Das kennt er. Versichertenkarte, Formulare … Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Das ganze Programm. Aber das muss Isabellas Mutter regeln. – Er schaut erschrocken auf seinen Arm. Glück gehabt! Der Regen hat die Nummer nicht abgewaschen.
John springt in den Wagen und setzt sich neben Isabella. Je dunkler es draußen wird, desto unwirklicher sehen die Gesichter im Neonlicht des Krankenwagens aus. Isabella scheint blaue Lippen zu haben und ihre Haut schimmert dünn wie Papier. Er lächelt sie an, obwohl ihm gar nicht danach ist. Und Isabella lächelt tapfer zurück.
»Zu Clara schaffe ich es wohl nicht, was?«, sagt sie und ihre Stimme klingt müde.
»Na ja, heute vielleicht nicht. Pass auf, morgen geht es dir schon wieder besser.«
»Rufst du meine Mutter an? Und Hannah?«, fragt sie noch, bevor ihr die Augen zufallen.
»Mach ich. Versprochen.«
Der Sanitäter klopft vorsichtig ihre Wange. »Isabella, nicht einschlafen. Wach bleiben! Was ist mit deinem Bein passiert? Seit wann hast du Schmerzen? Erzähl es mir.«
Noch zwei Stunden bis Saarbrücken! Astrid ist gefahren wie der Teufel. Jetzt nur noch eine kurze Rast, bevor sie sich die restliche Strecke vornehmen. Hannah hat es noch einmal bei Kurt Hoffnung versucht, aber der konnte ihnen auch nichts Neues berichten. Er hat am Abend noch einen Termin, hat Hannah aber noch ein paar vage Tipps gegeben, wo sie mit der Suche beginnen können. Sie sollen sich dann noch mal melden, wie es weitergeht.
Na super , denkt Hannah. Sie ist plötzlich enttäuscht und wütend. Da kennt sie schon einen Detektiv in Saarbrücken und dann entpuppt er sich als echte Niete. Das Drehbuch Nummer zehn muss sie wohl noch mal umschreiben. Darin hat er keine Hauptrolle verdient. Sie kaut
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