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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halldór Gudmundsson
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fehlte es in der Politik an Kompetenz. Und ebenso mangelte es an klaren Regeln und Richtlinien für den Markt. Man sollte ja nicht vergessen, wer auf Island jahrzehntelang das Sagen hatte. Es waren Leute von der Unabhängigkeitspartei, die auch oftmals den Markt beherrschten. Es ist natürlich problematisch, wenn die linke Hand die rechte kontrollieren
soll. Mit der Privatisierung der Banken fing ja alles an. Die Banken gingen an bestimmte Gruppen mit den richtigen politischen Verbindungen. Man entschied sich für einen Haupteigentümer pro Bank, anstatt das Ganze wie ursprünglich geplant auf eine breite Eigentümerbasis zu stellen. Und dann wurden die Banken privatisiert, ohne dass es dafür überhaupt ein entsprechendes Gesetz- oder Regelwerk zur Privatisierung gegeben hätte. Man machte es auf der Gesetzesgrundlage, die man für öffentliche Ausschreibungen benutzte, so als ginge es bloß darum, neue Stühle fürs Klassenzimmer zu kaufen. Dann suchte man sich Großaktionäre, die mir wiederum im Nachhinein erzählt haben, man hätte ihnen zugesichert, der Staat würde hinter ihnen stehen. Keine Ahnung, ob dies stimmt.«
    »Den größten Teil der Verantwortung tragen für mich also die Vorstände und Eigentümer der Banken. Wenn sich einer wie ein Verrückter auf der Straße aufführt und deshalb aus der Kurve fliegt, ist das seine Schuld, nicht die derjenigen, die für die Aufstellung der Leitplanken verantwortlich sind. Aber natürlich waren unsere Kontrollorgane viel zu schwach, um ein so starkes und agressives Finanzsystem wirklich regulieren zu können. Die staatliche Finanzaufsicht litt an chronischem Geldmangel und hatte nicht die Kapazitäten dazu, es mit den Banken aufzunehmen. Auch fehlten uns Regeln, etwa zum so genannten Crossownership (wechselseitiger Besitz der Haupteigentümer), beziehungsweise darüber, was die Banken ihren Eigentümern leihen durften und was nicht. Am Schluss waren die Banker dann verzweifelt damit beschäftigt, vor dem drohenden Ende noch so viel wie möglich zusammenzuraffen. Die Icesave-Konten und Ähnliches sind ja nur deswegen erfunden worden, weil die Banken sich nicht mehr anders finanzieren konnten.«

    »Als ich endlich von New York nach Hause kam, war das ganze System zusammengestürzt, wir waren auf einer Rettungsexpedition. Ich dachte, meine Operation wäre zufriedenstellend verlaufen, wusste zwar, dass ich noch nicht wieder ganz auf dem Damm war (und hier lacht sie), aber es galt jetzt, alles zu tun, um das Land vor dem Schlimmsten zu bewahren. Össur Skarphedinsson und ich waren sozusagen die zwei Leithammel der Partei auf dieser Expedition. Am Wichtigsten war, mit dem IWF (Internationaler Währungsfonds) ein Abkommen zu erreichen. Wir mussten Pläne vorlegen, um den IWF zu überzeugen und auch die skandinavischen Zentralbanken. Zentralbankchef David Oddsson zog aus heiterem Himmel plötzlich die Zusage eines sehr hohen russischen Darlehens aus der Tasche, und kein Mensch wusste, was dahintersteckte, und schließlich verlief es ja auch im Sand. Von unseren Alliierten in Europa und Amerika wurde es fast wie eine politische Drohung empfunden.«
    »Bei der Übernahme der Kontensicherung von Icesave hatten wir im Grunde genommen keine Wahl. Da musste der isländische Staat versprechen, seinen Teil zu tragen. Der IWF hatte sich bereit erklärt, uns seinen Teil des Kredits zu geben, den wir brauchten, aber nur, wenn die Nordischen Staaten und andere europäische Länder ihren Teil ebenfalls leisteten. Und diese wiederum sagten, dies würden sie nur tun, wenn wir uns an die Kontensicherungsregeln der EU halten würden. Wenn man die unterminierte, würde kein Mensch mehr in Europa einer Bank vertrauen. Also hatten wir keine Wahl.«
    »Der Dezember war ein schlimmer Monat. Das Vertrauen in die Regierung bröckelte, und dann bekam ich die Nachricht, die Geschwulst habe wieder zu wachsen begonnen. In
der Partei sahen wir, dass wir eventuell eine neue Regierung mit den Links-Grünen und den Progressiven bilden könnten, aber das war keineswegs sicher. Dazu mussten wir die gegenwärtige Regierung sprengen, aber die Frage war natürlich, wie? Außerdem war für uns das Abkommen mit dem IWF wichtig, aber die Links-Grünen standen dem sehr kritisch gegenüber, und wir mussten die Haushaltsgesetze verabschieden. Auch hatte ich inzwischen ernsthafte Zweifel an meiner Gesundheit; ich fühlte mich nicht unbedingt in der Lage, eine Regierung zu sprengen und eine neue zu bilden. Dann

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