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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halldór Gudmundsson
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Bankenwesen, auf nichts gebaut, zusammenbrach. Das war gut und notwendig. Vor nur zwei Generationen waren alle Isländer Bauern oder Fischer. Ich komme selbst vom Lande, wo wir noch gegessen haben, was im Garten wuchs oder zu Hause geschlachtet wurde oder man im nächsten Fischerdorf besorgte. Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht, dass wir jetzt hungern müssten, dann gehen wir einfach wieder fischen und schlachten zu Hause oder geben den Bauern billigen Strom für ihre Treibhäuser, damit wir auch etwas Gemüse bekommen. Wir haben hier alles. Die Banken sind nichts wert und waren es nie, und das wissen alle, die über fünfundzwanzig sind.«
    »Mein Anarchismus richtet sich gegen die Obrigkeit. Als Jugendlicher war ich ja gegen Kriege und all das, und dann habe ich eine Zeitlang gedacht, wie so viele, das nützt alles nichts, dieser Idealismus, aber jetzt sehe ich es so: Je mehr Leute wie Anarchisten denken, desto besser wird die Gesellschaft. Es geht darum, dass jeder seine Verantwortung, seinen Teil der Macht, übernimmt, und dann wird unser Staat nicht mehr von diesen Machtpyramiden dominiert. Jetzt gebe ich Streitschriften heraus und habe eine kleine Bibliothek zusammengetragen, damit die Leute sich selber bilden können. Und grün bin ich auch, ich habe sogar ein Fahrrad.«

    Wie wird seiner Ansicht nach die Zukunft Islands ausschauen?
    »Auf der politischen Ebene haben wir jetzt eine Linksregierung, und sie wird eine wachsende und starke Opposition von der Rechten und der Wirtschaft zu spüren bekommen. Aber ich glaube auch, dass es viele kleine Gruppen geben wird, die ihre eigenen Wege gehen. Man wird wieder in Kommunen wohnen und sich so weit wie möglich selbst versorgen. Viele werden aufs Land ziehen, und das wird das Kleingewerbe stärken. Die Häuser in Reykjavík sind ja genauso wertlos geworden, wie die Häuser auf dem Lande es schon längst sind. Wir werden eine Arbeitslosigkeit von fünfundzwanzig Prozent erleben, was natürlich sehr viel für so ein kleines Land ist, aber die Menschen werden zusammenhalten, die Arbeitslosen werden nicht zu Außenseitern werden. Man wird wirtschaftliche Basisgruppen formen, mit kleinen Booten fischen gehen anstatt mit Trawlern, eher Treibhäuser als Aluminiumfabriken betreiben. Seit Jahren hat man uns immer die Großindustrie als Lösung aller Probleme vorgegaukelt, aber wovon haben wir die letzten tausend Jahre gelebt?«
    Viele Isländer, wie zum Beispiel die Sozialdemokraten, sind der Meinung, dass in der jetzigen Lage ein EU-Beitritt ein wichtiger und richtiger Schritt sei. Nicht so Sigurdur.
    »Das soll jetzt die Zauberlösung sein, dass wir in die EU gehen und uns dort den Hintern abwischen lassen, aber damit begeben wir uns ja nur unter eine noch größere Machtpyramide als in den letzten zwanzig Jahren. Die EU verrottet von innen, und sie wird auseinanderbrechen, sobald der letzte europäische Staat seinen Eintritt erklärt. Es gibt Leute, die sagen, mir doch egal, ob ein Bürokrat in Brüssel die Fischereiquoten
regelt oder ein Reeder auf Akureyri. Mag ja sein, aber beim Kerl in Akureyri kann ich solange auf meinen Kochtopf klopfen, bis er die Flucht ergreift, den Kerl in Brüssel erreiche ich nie.«
    »Diese neue Taktik beim Demonstrieren, das Töpfeklopfen, ist doch herrlich. Ein riesiger Krach, ein unheimlicher Druck, aber trotzdem ganz legal. Legale Gewalt eigentlich, aber unschädlich. Bei mir ist zwar das rechte Handgelenk ziemlich angeschwollen, vor der Zentralbank musste ich wechseln und mit der Linken trommeln. Aber dieser barbarische Rhythmus, der bringt die Menschen zusammen.«
    »Das ist das Schöne an uns Isländern, diese Spontanität und Schnelligkeit bei allem. Einmal hatte ich es satt und zog für zweieinhalb Jahre nach Holland, meine Frau ist Holländerin. Die Holländer sind sehr entspannt und diskutieren alles gründlich, bevor sie etwas machen, und alle hüten sich und sind demokratisch und nett zueinander – ich dachte, ich werde verrückt. Und mir wurde klar, gerade dieser isländische Schwachsinn macht unsere Gesellschaft so lebendig und schön. Die Isländer gründen ein Theater oder formen eine Band mit der gleichen übereilten Hast, mit der sie das neue Wasserkraftwerk bauen. Man sieht es sogar hier im Verkehr, plötzlich fällt einem ein, abzubiegen, und dann denkt er eben an den Blinker zuletzt. Eine ausländische Freundin sagte mir mal, es sei, als hätten wir immer den Vulkan unter den Füßen.«
    »Lasst uns nicht

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