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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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stehen lassen würde, als so ein Risiko noch einmal einzugehen.
    Die alten Lokführer, die haben früher noch eine Lok ganz auseinander- und wieder zusammengebaut in der Ausbildung, die kannten sich noch wirklich aus mit allem, was mit dem rollenden Rad zu tun hat. Die jungen Lokführer lernen das heutzutage gar nicht mehr. Die können vielleicht noch gerade eben eine Schwachstelle erkennen, mehr aber auch nicht.
    Es gibt Züge, die ich mehr mag als andere. Die alten Intercityzüge zum Beispiel, die sind zwar lauter, aber mir gefallen sie trotzdem sehr. Sie sind geräumig, und man kann sein Fahrrad mitnehmen. Diese neuen ICE-Züge sind so eng wie eine Presswurst, wenn es schaukelt, stoße ich überall an und hole mir blaue Flecken.
    Richtig schlecht durchdacht sind auch die Kinderabteile. Die Bahn rühmt sich ja immer damit, so familienfreundlich zu sein. Und in den alten ICE 2 gibt es auch noch richtige Kinderabteile mit einem kleinen Klettergerüst. Die neuen Baureihen haben nur noch normale Mehrzweckabteile, die dann zum Kinderabteil deklariert werden. Und die liegen direkt neben dem Dienstabteil zwischen Erster Klasse und Bistro. Deshalb hört man bei den Ansagen dann so oft schreiende Kinder im Hintergrund. Und wenn ich Am-Platz-Service in der Ersten Klasse mache, muss ich ständig mit einem Tablett mit heißem Kaffee über die spielenden Kinder im Gang steigen.
Das ist wirklich gefährlich, und ich habe immer Angst, dass ich stolpere und eines der Kinder verbrühe.
    Grundsätzlich freue ich mich immer über Familien im Zug. Über ganz normale Leute, die in Urlaub fahren oder ihre Oma besuchen. Es gibt nur einen Zug, den die Kollegen wirklich nicht mögen, und das ist der Sprinter zwischen Frankfurt und Berlin. Der ist nämlich voller Bahnmanager, die zwischen den beiden DB-Zentralen hin- und herfahren. Die sitzen mit ihren kostenlosen Firmenfahrkarten in der Ersten Klasse und benehmen sich wie Menschen ohne Anstand. »Danke« und »Bitte« sind für diese Leute Fremdwörter. Kommandieren rum, brüllen sofort nach Kaffee, greifen mit beiden Händen tief in die Kisten mit den Gratispralinen und nehmen immer gleich einen ganzen Stapel kostenloser Zeitungen mit. Die denken wahrscheinlich: »Ist ja mein Laden hier, da kann ich mich benehmen, wie ich will.«
    Ich weiß, dass viele Kollegen gern versuchen, Sprinter-Dienste zu umgehen. Weil vielen da so der Kamm schwillt, dass sie Angst haben, irgendwann mal zu explodieren und danach ihren Job los zu sein.
    Â 
    Die Bahn befördert täglich 5,1 Millionen Fahrgäste auf der Schiene, davon 300 000 im Fernverkehr. +++ Jährlich registriert der DB-Kundendialog über 400 000 Beschwerden, pro Tag durchschnittlich 1 100. +++ Die Deutsche Bahn AG hat 237 000 Beschäftigte. Davon sind 20 000 Lokführer und 12 000 im Borddienst. Seit 2007 reduziert die Bahn kontinuierlich die Zahl der Zugbegleiter. +++ Fast 900 tätliche
Angriffe auf Zugbegleiter gib es jährlich, so die Gewerkschaft Transnet. +++ Statistisch begehen in Deutschland jährlich zwischen 800 und 1 000 Menschen Suizid, indem sie sich vor einen Zug werfen.

»Man ist halt die Putze.«
    Karin, 38 Jahre, Reinigungskraft, weiß mehr über ihre Kunden, als denen lieb sein dürfte.
    F ür ganz viele Leute bin ich einfach nur’ne kleine dumme Putzfrau. Mir ist das egal. Die wissen nämlich nicht, was ich alles über sie weiß. Ich räume schließlich deren Dreck weg, und da sehe ich viel, was eigentlich keiner sehen sollte. Ich kenne meine Pappenheimer. Und einige wissen inzwischen auch zu schätzen, dass ich meine Klappe halte und nicht rumtratsche, was ich auf deren Schreibtischen schon alles gefunden habe. Die vergessen nicht mehr, mich auf dem Flur zu grüßen.
    Mein Job ist Gold wert, um den beneiden mich viele in meiner Branche. Ich arbeite seit sieben Jahren als Reinigungskraft in einem Redaktionsgebäude, von Montag bis Freitag, jeden Tag sieben Stunden. Das ist ein Glücksgriff in diesem Geschäft, normalerweise werden Frauen da nur für zwei bis vier Stunden pro Tag angestellt, davon kann doch keiner leben. Viele müssen dann zwei, drei Jobs parallel machen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Die schuften sich kaputt.
    Wenn die Reinigungsfirmen, für die ich arbeite, die
Ausschreibungen für das Gebäude hier verlieren oder aus anderen Gründen rausfliegen, dann

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