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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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versuche ich, von der nächsten Firma übernommen zu werden, um hierbleiben zu können. Dreimal hat das jetzt auch geklappt.
    Groß beschweren über meinen Arbeitgeber kann ich mich nicht. Die zahlen Tariflohn und Überstunden. Aber man darf nicht mitdenken oder mal’ne Frage stellen. Und in der Gewerkschaft sein, so wie ich, das darf man besser auch nicht, das ist denen zu unbequem.
    Die meisten Frauen, die da arbeiten, sind Türkinnen, die kaum Deutsch sprechen und sich morgens in der Frühschicht ein bisschen was dazuverdienen. Die mucken natürlich nie auf, und wenn eine mal Ärger macht, dann wird sie halt durch die Nächste ersetzt. Kein Schwein arbeitet die ordentlich ein oder sagt denen, was sie zu tun haben. Die würden sicher ordentlich arbeiten, wenn sich mal jemand die Mühe machen würde, mit denen morgens vernünftig zu sprechen. Macht aber keiner. Stattdessen heißt es oft, das soll ich machen, schließlich hab ich die Tagesschichten, und ich muss dann ausbaden, was die am frühen Morgen nicht hingekriegt haben.
    Ich ziehe durch die Flure und schaue, ob die Teeküchen und Toiletten sauber sind, ich fülle Handtücher auf und stehe auf Abruf bereit, wenn irgendwo mal was umkippt oder schnell sauber gemacht werden muss.
    Für die meisten Leute bin ich natürlich unsichtbar, die nehmen mich gar nicht groß wahr. Man ist halt die Putze. Aber ich bekomme viel mehr mit, als viele so glauben. Ich weiß genau, wer nach Betriebsfeiern mit wem im Büro
verschwindet, ich mach ja schließlich hinterher den Dreck wieder weg. Und ich sehe, welche Seiten die Leute im Internet angucken, wenn ich ihre Schreibtische wische. Bei manchen Mitarbeitern habe ich schon Diensthandys gefunden, die aus Versehen im Mülleimer gelandet sind. Natürlich gucke ich mir die an, und da findet man’ne Menge pikante SMS. Da denk ich dann: Hey, hätte ich dir gar nicht zugetraut, bist ja eigentlich keine Schönheit. Na, und wenn ich das Handy dann am nächsten Morgen zurückgebe und dem tief in die Augen schaue, dann kannste sicher sein, dass der nie wieder vergisst, mir einen schönen Tag zu wünschen.
    Es gibt auch Türen, die morgens ewig verschlossen sind, da weiß ich dann, dass dahinter jemand seinen Rausch ausschläft. Manche habe ich sogar noch zugedeckt und ein »Bitte nicht stören«-Schild draußen drangemacht. Dafür bekommt man dann eben auch mal einen Kaffee spendiert, einer hat sich mal mit einer Flasche russischem Wodka bedankt. Weil die Leute wissen, dass ich so was für mich behalte, ich tratsche nicht. Ich bin diskret und halte mich im Hintergrund. Aber im Gegenzug erwarte ich schon, dass man mich wahrnimmt und dass man mich grüßt.
    Ich habe ein ganz stabiles Selbstbewusstsein, wenn Leute pampig zu mir sind, dann lass ich das nicht an mich ran. Und viele merken auch, dass sie sich schlecht benehmen, wenn man einen Scherz drüber macht. Wenn ich zum Beispiel in ein Büro gerufen werde, und ich steh schon in der Tür und höre, wie der Kollege zu jemandem
am Telefon sagt: »Du, ich muss Schluss machen, die Putze ist da«, dann mache ich erst mal gründlich sauber, einmal im Uhrzeigersinn, damit ich auch wirklich überall war. Und dann sag ich: »Nicht schlecht, oder? Für so was haben Sie Ihre Putze.« Dann lachen viele peinlich berührt und entschuldigen sich manchmal auch. Früher oder später wollen sie nämlich alle was von mir, dann muss es plötzlich ganz fix gehen. Na, und dann zahlt es sich schon aus, wenn man zwischendurch auch mal ein bisschen freundlich zu mir war.
    Ich habe netto im Monat etwa siebenhundert Euro raus, bei Steuerklasse fünf. Der Stundenlohn liegt bei acht Euro fünfzehn, der ist gar nicht so schlecht, aber die Steuer frisst das meiste. Deshalb überlege ich ganz stark, für wen ich mir den Rücken krumm mache. Wenn mir jemand doof kommt, dann springe ich auch nicht sofort. Und wenn jemand nett ist, sich auch mal erkundigt, wie es mir so geht, dann komm ich dem natürlich auch mehr entgegen.
    Inzwischen habe ich mir die Leute ganz gut erzogen, die sind eigentlich fast alle sehr nett. Deshalb gehe ich auch jeden Morgen gern zu Arbeit, mir würde schon was fehlen, wenn ich den Job nicht mehr hätte.
    In der Branche arbeite ich jetzt seit neunzehn Jahren, seit meine Große auf der Welt ist. Ausgesucht habe ich mir das nicht, zu Ostzeiten wäre

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