Wir sind bedient
eigentlich will. Meine Eltern wollten, dass ich irgendeine Verwaltungslehre mache. Ich war sehr still und introvertiert und habe die Idee gar nicht groà infrage gestellt. Zu der Zeit habe ich häufig auf die Kinder unserer Nachbarn aufgepasst, und die Nachbarsfrau hat mich dann mal ins Gebet genommen: »Mensch, Sabine, willst du das wirklich? In der Verwaltung arbeiten, den ganzen Tag im Büro sitzen? Du kannst so toll mit Kindern umgehen, warum wirst du nicht Erzieherin oder Krankenschwester?«
Da habe ich mir zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht, was will ich eigentlich? Und so bin ich Krankenschwester geworden, obwohl meine Eltern anfangs ziemlich geschockt waren über meinen Entschluss. Ich glaube, sie haben mir das einfach nicht zugetraut. Aber ich liebe meinen Beruf, auch wenn er manchmal sehr anstrengend ist. Und schlecht bezahlt. Das wurmt mich schon, dass irgendwelche
Verwaltungsheinis den ganzen Tag Akten hin und her schieben und dafür dreimal so viel Geld bekommen wie ich. Aber andererseits würde ich mit denen auch nicht tauschen wollen.
Natürlich wird im Gesundheitswesen viel gespart, wir müssen immer mehr arbeiten, haben immer weniger Zeit für die Patienten. Wir haben alle ein Helfersyndrom und springen gern ein, wenn es irgendwo brennt. Aber so steht die Pflegeleitung natürlich auch nie unter Druck, mehr Personal einzustellen. Und auch das Verhältnis zu Ãrzten war früher herzlicher. Früher haben gerade die jungen Ãrzte mehr auf die Meinung einer erfahrenen Krankenschwester gehört und sich mal einen Rat geholt. Heute ist offenbar auch auf deren Seite der Druck, sich profilieren zu müssen, gröÃer geworden.
Trotzdem wird natürlich auch viel gelacht bei der Arbeit. Wenn man so viel mit Krankheit und Tod zu tun hat, muss man sich einen speziellen Humor zulegen: Auf unserer letzten Weihnachtsfeier hat sich zu vorgerückter Stunde unser Oberarzt auf den Boden gelegt, sein Assistenzarzt saà rittlings auf ihm drauf und hat ihn reanimiert. Und wir Schwestern standen im Kreis um die beiden herum und haben dazu »Yes, we can!« gegrölt.
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Seit 1995 wurden beim Pflegepersonal in deutschen Hospitälern 50 000 Stellen gekürzt. Derzeit gibt es noch knapp 300 000 Pflegekräfte in den 2100 Krankenhäusern. +++ Das Grundgehalt einer Krankenschwester wird teilweise durch abgabenfreie Zuschläge wie Nachtzulagen ergänzt.
Etwa 1 100 bis 2 300 Euro netto verdienen Krankenschwestern monatlich. +++ Laut einer Studie kann jede zehnte der knapp 1 900 allgemeinen Kliniken in Deutschland die kommenden fünf Jahre nicht mehr wirtschaftlich überleben. +++ Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme sind unter Krankenpflegern besonders häufig. Dies ist laut einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes vor allem auf Zeitdruck und das ständige Heben und Umlagern der Patienten zurückzuführen.
»Für viele Männer ist man sowieso Freiwild.«
Bärbel, 30 Jahre, Messehostess, sammelt Telefonnummern, dumme Sprüche über Blondinen und verlorene Eheringe.
S tehen, lächeln, sich gerade halten, hübsch aussehen - manchmal vierzehn Stunden lang ohne Pause, vierzehn Tage am Stück: Das ist mein Jobprofil. Da danke ich dem Himmel jeden Tag für Stützstrumpfhosen und Blasenpflaster. Und dafür, dass das nur ein Nebenjob ist, mit dem ich mir mein Studium finanziert habe. Diese Hostess- und Promotionjobs kann man nicht ewig machen. Sie sind körperlich und psychisch sehr anstrengend und fordern einen geistig überhaupt nicht.
Als ich angefangen habe zu studieren, dachte ich: Messehostess ist ein super Job, man erlebt bestimmt eine Menge. Das stimmt tatsächlich, es macht oft SpaÃ, und man kommt sehr viel rum. Aber letztlich wird man einfach darauf reduziert, gut auszusehen. Die Leute halten Hostessen grundsätzlich für dumme kleine Blondchen. Sogar manche Auftraggeber, die erklären die einfachsten Arbeitsschritte hundertmal, so als wäre man zu blöd, Papiere zu ordnen, Flyer zu verteilen oder Kaffee auszuschenken.
Manchmal habe ich mir einen Spaà daraus gemacht und mich wirklich dumm gestellt. Und es gab auch schon das genaue Gegenteil, dass es nämlich überhaupt keine Anweisungen gegeben hat. Dann hat man mich vor irgendwelche Landwirtschaftsmaschinen platziert und gesagt: »So, mach mal, promote das, erzähl den Kunden was dazu.«
Irre bei solchen Promotion-Aktionen ist die
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