Wir sind bedient
Ramschmentalität vieler Leute. Wenn es irgendetwas umsonst gibt, flippen die aus. Ich habe mal für einen Supermarkt Rosen verteilt, da hätte es fast Prügeleien gegeben. Oder Schlüsselbänder! Ich meine, wie viele Schlüsselbänder braucht der Mensch? Die meisten sind ja auch noch total hässlich, und trotzdem stürmen die Leute den Messestand, halten ihre Tüte hin und sagen: »Bitte für mich und meine Frau und dann noch für meine zehn Kinder und fünfzehn Tanten! Und haben Sie noch Kugelschreiber? Oder Aufkleber?«
Das Krasseste, was ich je erlebt habe, war die Anuga, eine Lebensmittelmesse. Die ist eigentlich nur für Fachbesucher, aber am letzten Tag für vier Stunden auch für normales Publikum geöffnet. Da stürmen die Leute mit groÃen blauen Müllsäcken durch die Hallen und schaufeln alles rein, was nicht niet- und nagelfest ist.
Einmal habe ich eine Promotion-Aktion für eine Biermarke gemacht, in einem sehr eleganten Kaufhaus. Das war ganz lustig, weil ich vorher meinen Freunden aus der Uni Bescheid gesagt habe und die dann alle bei mir vorbeigekommen sind, auf ein Gratisbier. Wer das natürlich
auch sofort spitzgekriegt hat, waren die ganzen Alkis der Umgebung. Die kamen während der gesamten Aktion jeden Morgen um Punkt acht Uhr und wollten dann alle zehn Minuten ein neues Bier, bis ich gesagt habe: »Jungs, so geht das nicht. Ihr bekommt jetzt nur noch eins pro Stunde.« Und dann haben sie sich auch getrollt, standen aber pünktlich zur vollen Stunde wieder vor meinem Stand.
Gerade bei Alkohol fallen natürlich auch bei Männern alle Hemmungen. Dumme Sprüche wie: »Na, willste auch mal an meinem Zapfhahn drehen?« sind da natürlich vorprogrammiert. Und das Outfit, das ich tragen musste, war auch nicht gerade hilfreich: Hotpants und ein Wickeltop, das nur in GröÃe S geliefert wurde und mir definitiv zu klein war. Da war wenig zu retten, auch nicht mit Sicherheitsnadeln.
Für viele Männer ist man sowieso Freiwild. Die glauben, nur weil man als Hostess nett ist, lässt man sich auch begrapschen. Ich bin nicht auf den Mund gefallen und wehre mich. Und es gibt Hostessjobs, die mache ich inzwischen aus Prinzip nicht mehr. Auf Automessen arbeiten zum Beispiel, wo man sich in superknappen Röckchen auf Motorhauben räkeln soll.
Ich habe auf Messen schon mehrfach Eheringe gefunden, gerade die älteren Herren ziehen die nämlich gern aus, weil sie hoffen, eine von uns ins Bett zu kriegen. An den alten fleischigen Fingern sieht man dann den Ringabdruck noch. Und man bekommt regelmäÃig Angebote, doch mal mit auf Segeltörn zu gehen oder einen kleinen
Ausflug im Ferrari zu machen. Ich hatte auch schon einen Auftraggeber, der dann abends im Bademantel vor meiner Hoteltür stand, weil er dachte, das wäre im Service mit inbegriffen. Ziemlich eklig, finde ich, aber es gibt natürlich auch Hostessen, die sich darauf einlassen. Vielleicht, weil sie sich davon bessere Jobs in Folge versprechen.
SpaÃeshalber läuft unter den Mädchen auch oft der Telefonnummern-Contest: Wer bekommt an einem Messetag die meisten Nummern zugesteckt? Ist natürlich schön fürs Ego. Und wenn dann eine gewinnt und glaubt, deshalb sei sie die Schönste, denke ich mir manchmal: Ne, du bist vielleicht einfach nur die gröÃte Schlampe von uns. Aber die Schönste sicher nicht.
Es gibt bei Messen und Kongressen immer Jobs, die unter Hostessen begehrter sind als andere. Akkreditierung zum Beispiel ist super, weil man dabei in der Regel sitzen kann. Mikrofondienst will nie eine freiwillig machen, da wird dann meistens gelost. Das ist einfach wahnsinnig langweilig, und man muss sich trotzdem die ganze Zeit konzentrieren und aufpassen, dass man den Kameras nicht durchs Bild läuft, dafür sorgen, dass die Leute immer gleich ein Mikro gereicht bekommen oder der Redner frisches Wasser auf seinem Tisch hat.
Gerade Messen sind oft furchtbar anstrengend, die Arbeit dauert in der Regel zehn oder sogar sechzehn Stunden, und manchmal gibt es auch keine Pause. Bei Messen wie der CeBIT habe ich im Durchschnitt vier Stunden pro Nacht geschlafen. Ohne wirklich gut deckendes Make-up würden an den letzten Messetagen alle Mädchen
aussehen wie Zombies. Aber die Kunden erwarten natürlich, dass man die ganze Zeit top aussieht, immer nett und zugänglich ist und auch am nächsten Tag wieder pünktlich
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