Wir sind bedient
erscheint.
Das Schlimmste, was ich je machen musste, war eine Promotion-Aktion für einen vegetarischen Brotaufstrich. Das war körperlich nicht anstrengend, aber unglaublich eintönig. Zwei Monate lang musste ich allein durchs Land reisen, in verschiedenen Städten in Supermärkten stehen und den Kunden beschmierte Cracker anbieten. Die Leute haben darauf gegeiert, als hätten sie monatelang nichts zu essen bekommen. Das war unglaublich öde, übernachtet habe ich in Jugendherbergen. Und nach zwei Monaten dachte ich: Noch ein Cracker, und ich dreh durch!
Womit man als Hostess leben muss, ist, sein Gesicht für ein Produkt herzugeben, hinter dem man nicht wirklich steht. Wenn ich zum Beispiel Leute animieren muss, bei einem Gewinnspiel mitzumachen, und ich weià genau, dass es im Grunde nicht wirklich was Tolles zu gewinnen gibt, die aber dafür einen Vertrag aufgeschwatzt bekommen, dann tut mir das leid. Aber das ist nun mal meine Aufgabe. Viele beschimpfen einen auch, das sei doch alles Abzocke. Und natürlich haben die damit recht, aber ich kann doch auch nichts dafür.
Wenn ich heute durch Kaufhäuser oder durch die FuÃgängerzone laufe und mich ein Promotion-Team anquatscht, dann geht mir das manchmal auch auf die Nerven. Aber ich gebe mir Mühe, nett zu sein, den Leuten
einmal in die Augen zu sehen und freundlich zu sagen: »Sorry, ich habe echt keine Zeit!« Ich weiÃ, wie sich das anfühlt, wenn man die Leute immer mit demselben Text ansprechen muss, und die schauen einfach durch dich durch und gehen weiter. Dieses Ignoriertwerden, das ist fast schlimmer als eine blöde Anmache.
Mein Studium habe ich mittlerweile abgeschlossen, und ich habe das Gefühl, dass ich langsam auch zu alt werde für Hostessenjobs. Das war ganz lustig und interessant für eine Zeit, aber jetzt möchte ich gern etwas machen, was mich geistig mehr fordert. Etwas, wo ich zeigen kann, dass ich was draufhabe und nicht einfach nur gut aussehe. Vielleicht weià man das auch erst zu schätzen, wenn man so einen Job mal gemacht hat: Wie wichtig es ist, ernst genommen zu werden und nicht nur dafür Geld zu bekommen, weil man den ganzen Tag nett gelächelt hat.
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Für Hostessen liegt der Tagessatz zwischen 100 und 150 Euro. +++ Der GroÃteil der Hostessen sind Studentinnen. Auch Arbeitsagenturen vermitteln Hostessen. +++ Der Job der Messehostess ist klar zu unterscheiden von den Mitarbeiterinnen von Begleitagenturen, die auch oft als Hostessen bezeichnet werden. +++ Silvia Sommerlath war wohl die berühmteste deutsche Hostess. Bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München traf sie ihren späteren Mann Carl Gustaf von Schweden. Heute ist sie Königin von Schweden.
»Meinem Mann gefällt es, dass ich so schön nach Bockwurst rieche!«
Jutta, 39 Jahre, Fleischereifachverkäuferin, über ihren Knochenjob hinter der Theke und warum sie ihr Fleisch nie im Supermarkt kaufen würde.
I ch wollte immer Verkäuferin werden, wollten früher ja alle, doch am liebsten Textilverkäuferin. Viel Auswahl gabâs ja in der DDR ohnehin nicht. Also bin ich hier zum KONSUM gegangen, und die haben gesagt: »Lernen Sie doch erst mal Fleisch. Wer Fleisch verkaufen kann, der kann alles verkaufen.« Früher musste man noch das schnelle Kopfrechnen lernen, da wurden wir noch richtig getrimmt. Wenn ich mir unsere Lehrlinge heute angucke, die können nicht mal zwei Beträge zusammenrechnen, die nehmen für alles den Taschenrechner.
Später habe ich lange Jahre hier im Ort in einer Metzgerei gearbeitet, noch vor der Wende. Heute gelten wir Fleischereifachverkäuferinnen ja nicht viel, aber damals waren wir noch richtig wer. Die Kunden waren immer nett zu uns, denn wer nett war, hat auch mal was von unterm Ladentisch bekommen. Mein Chef hat damals
heimlich Schinken gemacht, das durfte er eigentlich nicht. Aber zweimal die Woche hing hinten die Räucherkammer voll. Und da kamen schon die Nachbarn und haben lieb gefragt, ob man da nicht was bekommen könnte. Und wenn die Herren vom KONSUM zur Kontrolle kamen, dann haben sie schön kontrolliert und sind alle mit einem Schinken unterm Mantel wieder raus.
Viele Leute finden es ja eklig, mit rohem Fleisch umzugehen. Mich stört es nicht, ich bin auf dem Land aufgewachsen, da hatte man Schweine und Hasen, und die wurden nun mal geschlachtet. Als Kind habe ich mich immer versteckt, damit ich das
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