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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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bezahlen muss. Ich arbeite also immer Sechs-Stunden-Schichten. In der Zeit bin ich allein im Laden und für alles verantwortlich: Ware aus dem Lager holen, Regale einräumen, Fototüten einsortieren, sauber machen, kassieren und die Kunden bedienen. Zwischendurch ist keine Zeit, um mal aufs Klo zu gehen, ich kann ja den Laden nicht allein lassen. Aber das lasse ich mir nicht mehr gefallen; wenn ich muss, dann schließe ich eben vorne ab. Das wird natürlich überhaupt nicht gern gesehen.
    Nach so einer Schicht bin ich meistens ziemlich kaputt. Die schweren Kisten im Lager heben, das ist anstrengend. Und allein, was man den ganzen Tag an Waren übers Band zieht, ich glaube, viele Kunden können sich gar nicht vorstellen, wie sehr das in die Arme geht.
    Die meisten Kunden sind jedoch sehr nett, ich muss sagen, dass mir der Job auch nur deshalb Spaß macht. Ich verkaufe gern. Manchmal kommen alte Leute, die sind schon seit Jahren Stammkunden, die geben mir einfach nur einen Zettel, und dann suche ich denen ihre Einkäufe zusammen. Dass die Kunden unfreundlich sind, kommt selten vor. Einmal hatte ich ein zwölfjähriges Mädchen, das eine Flasche Schnaps kaufen wollte, für ihren Papa. Da habe ich mich geweigert, und eine halbe Stunde später
stand der Vater dann vor mir, total aggressiv: »Das nächste Mal verkaufst du dumme Schlampe meiner Tochter den Schnaps, sonst hau ich dir in die Fresse!« - »Nein, das mache ich sicher nicht«, habe ich gesagt, und dann ist der auch wieder abgezogen. Aber Angst hatte ich schon, ich war ja wie immer total allein im Laden.
    Geklaut wird auch viel bei Schlecker, hauptsächlich Rasierklingen, DVDs und Kosmetik. Das bekommt man meistens gar nicht mit, weil man so viel mit anderen Dingen beschäftigt ist. Einmal habe ich eine Frau erwischt, die einen Karton Waschmittel geklaut hat. Der bin ich hinterher und habe »Stehen bleiben!« geschrien. Da dreht die sich um und wirft den Waschmittelkarton nach mir, der platzt natürlich, und ich bin von oben bis unten mit Waschpulver eingestaubt. Die Polizisten, die das dann später aufgenommen haben, haben sich halb totgelacht. Seitdem überlege ich mir zweimal, ob ich jemandem wirklich hinterherlaufe.
    Es gibt auch Testkunden, die werden von Schlecker bezahlt und sollen überprüfen, ob wir alles richtig machen im Laden. Aber die erkennt man sofort, die schauen sich einfach viel zu auffällig in der Filiale um und stellen dann sehr spezielle Fragen, zu Sonderangeboten zum Beispiel. Eigentlich soll ich auch jedem Kunden an der Kasse noch mal erzählen, was es gerade Tolles im Online-Shop gibt. Das ist doch total affig, wenn ich jeden Kunden beim Bezahlen noch frage: »Haben Sie schon gesehen, was es bei www.schlecker.de wieder Tolles gibt? Wir haben da gerade Staubsaugerbeutel im Angebot!« Wenn ich sehe, dass
da wieder so ein Testkunde in der Schlange steht, dann rufe ich: »Alle mal herhören: Im Schlecker-Online-Shop gibt es folgende Sonderangebote …« Findet mein Bezirksleiter natürlich nicht lustig.
    In den Filialen hängen Kameras, und die sind natürlich nicht nur zur Überwachung der Kunden gedacht. Wir Verkäuferinnen werden ständig kontrolliert, manchmal direkt nach Ladenschluss vor der Filiale. Da kommt dann einer von den Chefs und sagt: »Tasche auf!« Das ist schon peinlich, wenn man sich auf der Straße so einer Durchsuchung unterziehen muss.
    Früher war es noch extremer, da haben sich zum Teil die Bezirksleiter vor der Ladenöffnung hinter den Regalen einbauen lassen, und von da heimlich den ganzen Tag die Mitarbeiterinnen ausspioniert. Wer unbequem ist, muss viel Druck aushalten. Oder wer einfach nicht mehr gewollt wird. Da stehen dann drei, vier Chefs im Laden und bequatschen eine Mitarbeiterin so lange, bis sie von selbst einen Aufhebungsvertrag unterschreibt.
    Ich lasse mich so nicht behandeln, ich bin aber auch ein Typ, der den Mund aufmacht und sich wehrt. Seit vierzehn Jahren bin ich jetzt bei Schlecker, und seit einiger Zeit engagiere ich mich im Betriebsrat, da hatte ich Glück mit meiner Filialleiterin, die mich dabei auch immer unterstützt hat. Weil ich meinen Job ordentlich mache, ich packe mit an und bin beim Arbeiten nicht zimperlich. Aber ich finde, dann muss man auch ordentlich mit uns umgehen.
    Als Betriebsrätin bin ich den Schlecker-Oberen natürlich
erst recht ein Dorn im Auge. Eine vertrauensvolle

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