Wir sind bedient
Zusammenarbeit ist eigentlich nicht erwünscht. Ich bin mir sicher, dass Bezirksleiter dazu angehalten werden, aufsässige Betriebsräte speziellen Kontrollen zu unterziehen. Es werden Verfallsdatenkontrollen und Vollständigkeitskontrollen gemacht. Gefunden wird immer etwas. Ich bin auch schon mit dem Auto verfolgt worden, und zeitweise stand ständig ein schwarzer Mercedes vor unserer Filiale.
Wenn ein Bezirksleiter oder Verkaufsleiter es schafft, einen Betriebsrat aufzulösen, ist er der Held. Die Bezirksleiter kriegen vor ihrer Einstellung sowieso eine Gehirnwäsche und werden motiviert, die Mitarbeiter unter Druck zu setzen. Die werden richtig auf diesen rigiden Schlecker-Kurs getrimmt, denen wird wahrscheinlich eingetrichtert, dass man Verkäuferinnen immer misstrauen muss. Da fragt man sich schon, was das für Leute sind, die sich so instrumentalisieren lassen.
Der neueste Coup von Schlecker sind ja die XL-Filialen, die angeblich gröÃer, moderner und erfolgreicher sein sollen. Die vielen kleinen Filialen sind denen nicht mehr rentabel genug, die lassen sie jetzt langsam ausbluten. Wir bekommen dann aus dem Schlecker-Lager bestimmte Waren einfach nicht geliefert. Dann gibt es zum Beispiel wochenlang kein Katzenstreu in der Filiale, und da suchen sich die Kunden natürlich irgendwann einen anderen Laden.
Ziel ist, die kleinen Filialen dichtmachen zu können und die Mitarbeiter auf die Schlecker-XL-Filialen zu verteilen.
Vor ein paar Monaten hat Schlecker ja noch versucht, uns neue Verträge mit einer Zeitarbeitsfirma aufzuzwingen. Die war nicht an den Tarifvertrag gebunden, und wir hätten dann nicht mehr zwölf Euro die Stunde, sondern sechs Euro achtundsiebzig Cents verdient. Die totale Lohndrückerei! Die Verkaufsleiter haben richtig Druck gemacht, dass man diese Verträge unterschreibt. Da hieà es dann: Unterschrift oder Kündigung. Und dann diese scheinheiligen Argumente: »Schlecker macht weniger Umsätze. Wollen Sie, dass es Schlecker bald nicht mehr gibt? Wollen Sie, dass Schlecker Insolvenz anmeldet? Arbeiten Sie doch einfach zehn Stunden mehr die Woche, dann haben Sie das gleiche Geld raus wie vorher!« Zum Glück wurden die öffentlichen Proteste so groÃ, dass Schlecker die Zusammenarbeit mit dieser Zeitarbeitsfirma einstellen musste. Aber denen wird schon noch was Neues einfallen, um uns immer weiter auszupressen.
In jeder Schlecker-Filiale hängt hinten im Aufenthaltsraum ein Bild von Anton Schlecker und seiner Frau. Da gucke ich manchmal drauf und frage mich, was das wohl für ein Mensch ist. Der gehört zu den reichsten Männern Deutschlands, der schwimmt wirklich im Geld. Und er sorgt dafür, dass wir einfachen Mitarbeiterinnen immer mehr um unsere Existenz kämpfen müssen. Was wir später mal an Rente bekommen, das ist doch lächerlich. Angeblich taucht er auch ab und zu in einer seiner Filialen auf, um selbst zu kontrollieren, ob wir auch anständig arbeiten. Hoffentlich schaut er auch mal bei mir vorbei, ich hätte da eine Menge Fragen!
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Statistisch gesehen gibt es alle drei Kilometer einen Schlecker-Markt in Deutschland. Europaweit zählt der Konzern rund 14 000 Filialen. +++ 5 Milliarden Euro setzt Schlecker mit seinen 50 000 Mitarbeitern jedes Jahr um. +++ Schlecker ist bekannt für schlechte Arbeitsbedingungen und Lohndumping. Firmenboss Anton Schlecker ist sogar rechtskräftig wegen Lohndumpings zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden. +++ Anton Schleckers Vermögen wird auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt. Damit steht er auf Platz 156 der weltweiten Milliardärsrangliste des US-Magazins »Forbes«.
»Die Eltern meiner Schüler mag ich in den seltensten Fällen.«
Miriam, 33 Jahre, Grundschullehrerin, über kleine Helden, angehende Analphabeten und wie sie ihre Freunde sprachlos macht.
W ährend meines Studiums hieà es immer: »Ja, ja, die Grundschulmäuschen. Ein bisschen malen, ein bisschen basteln, ein bisschen eins plus eins, das kann doch jeder.« Und ich glaube, viele Leute sehen das heute noch so: Grundschule, das ist doch einfach, das ist niedere Arbeit. Dabei besteht mein Job zu achtzig Prozent aus Erziehung. Ich bin die meiste Zeit des Tages damit beschäftigt, diese Kinder zu sozialisieren. Wenn ich es schaffe, ein Fünftel meiner Zeit dazu zu nutzen, um Stoff zu vermitteln, dann ist das ein guter Tag.
Ich arbeite an einer
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