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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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Krankenwagen kommen! Was passiert als Nächstes?«
    Etwas anderes ist es, wenn Kinder im Spiel sind. Da gibt es natürlich Sachen, die dem Jugendamt gemeldet werden müssen. Und die üben dann entsprechend Druck aus: Entweder, hier passiert jetzt etwas, oder wir nehmen die Kinder aus der Familie. Das ist für manche Frauen dann doch eine Motivation, sich zu trennen. Aber auch, wenn die Kinder nicht selbst Gewaltopfer werden, ist es für die Kinder furchtbar. Die Frauen wollen das oft nicht wahrhaben. Sie sagen: »Die schlafen ja, die bekommen das gar nicht mit, wenn er mich schlägt.« Das ist natürlich eine Illusion, Kinder haben sehr feine Antennen. Und manche müssen dann mit diesem Geheimnis leben, da heißt es dann: »Erzähl bloß nichts in der Schule!« Das
muss man den Frauen ganz klar sagen, was das mit den Kindern macht und wie sehr sie unter dieser Situation leiden, auch wenn der Vater mit den Kindern eigentlich sehr liebevoll umgeht.
    Im Schnitt habe ich pro Woche drei dieser Hausbesuche. Den Rest der Zeit bin ich meistens im Frauenschutzhaus. Wir haben sieben Zimmer und zwölf Betten, viele Frauen bringen ja auch Kinder mit. In der Regel bleiben die Frauen etwa ein Vierteljahr dort, manche länger, manche kürzer. Je nachdem, wie lange sie brauchen, um ihr Leben zu sortieren.
    Etwa dreißig Prozent gehen auch wieder zurück nach Hause, zurück in die Beziehung. Das ist manchmal traurig. Zu sehen, was viele Frauen sich erneut antun und als normal empfinden. Es ist schwer nachzuvollziehen und auch enttäuschend, aber ich sage mir immer: Die gehen hier auch nicht raus, wie sie reingekommen sind. Die haben etwas mitgenommen aus dieser Zeit. Und sei es das Wissen, dass sie hier jederzeit wieder Schutz finden können.
    Das Frauenhaus ist ein Schutzraum, und der hat natürlich bestimmte Regeln: kein Männerbesuch, keine Herausgabe der Adresse, keine Drogen. Für viele Frauen ist es eine ganz neue Erfahrung, mit anderen Frauen zusammenzuleben, und es ist toll zu sehen, wie sie einander unterstützen, Netzwerke knüpfen. Es gibt auch eine Gruppe von ehemaligen Bewohnerinnen, die sich regelmäßig trifft und auch zu den aktuellen Bewohnerinnen Kontakt sucht. Ab und zu machen wir gemeinsame Ausflüge oder
unternehmen etwas mit den Kindern. Und da denke ich immer bei mir: Toll, dass unsere Arbeit so vielen Frauen wirklich geholfen hat.
    Natürlich gibt es auch immer mal Probleme. Das Frauenhaus ist ja auch ein bisschen eine Zwangsgemeinschaft, es gibt nicht viel Platz, sich aus dem Weg zu gehen. Es gibt nur eine Küche und nur einen Fernseher, und manchmal kracht es auch ganz schön. Manchmal müssen wir Sozialarbeiterinnen auch daran erinnern, dass wir nicht die Herbergsmuttis sind und dass das Klo manchmal eben sauber gemacht werden muss. Das kann mühsam sein, dieses Zusammenleben zu koordinieren.
    Als Sozialarbeiter steht man immer vor dem Dilemma, wie weit man sich die Probleme anderer Menschen zu eigen macht. Natürlich habe auch ich so etwas wie eine professionelle Distanz, aber ich kann nicht behaupten, dass ich meine Erlebnisse abends mit dem Mantel an die Garderobe hängen kann und dann nicht mehr darüber nachdenke. Das funktioniert nicht. Es gibt Dinge, die mich erschüttern, berühren und traurig machen, und das kann ich auch nicht einfach so wegschieben.
    Ich treibe viel Sport gegen die Wut, die sich manchmal in mir anstaut. Und ich habe tolle Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich sehr viel rede. Man entwickelt einen gewissen Galgenhumor, den nicht jeder versteht. Natürlich wird bei uns auch viel gelacht, sonst könnte man den Beruf auch nicht machen. Aber Außenstehende finden das vielleicht manchmal befremdlich, diese Art von Humor.

    Privat erzähle ich nicht so gern aus meinem Beruf. Weil ich immer in die Rolle gerate, zu erklären, warum misshandelte Frauen sind, wie sie sind. Warum geschlagen wird und sich manche schlagen lassen. Es ist auch ein bisschen Selbstschutz, so etwas nicht zum Gesprächsthema werden zu lassen, wenn ich mit Freunden in der Kneipe sitze. Weil Freizeit auch für mich Freizeit sein muss, es gibt ja auch noch ein paar andere Dinge in meinem Leben.
    Es ist immer merkwürdig, wenn diese beiden Welten miteinander in Berührung geraten. Es gab zum Beispiel mal eine Zeit, in der wir telefonisch von einem Mann bedroht wurden. Der rief immer wieder auf unserem

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