Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
Vom Netzwerk:
dass ihr die Luft wegblieb.
    »Darüber reden wir noch, Kleines«, zischte sie.
    Lena versuchte sich loszureißen, aber gegen Louises stählernen Griff hatte sie keine Chance. »Lass ihn in Ruhe!«, brachte sie lediglich heraus. »Wenn du ihm etwas tust, dann …«
    »Was?«, unterbrach sie Louise. Ihre Stimme bebte vor Wut. »Bringst du mich um?« Sie lachte böse. »Ich bekomme fast Lust, es auszuprobieren, weißt du? Aber nicht jetzt - los!«
    Sie zerrte sie weiter und ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, Tom im Vorbeihasten einen Tritt vor die Schläfe zu versetzen, von dem er wahrscheinlich von Glück sagen konnte, wenn er ihm nicht den Schädel brach. Auf der vorletzten Stufe blieb sie abrupt wieder stehen. Polternde Schritte näherten sich, und Lena konnte den Zorn und die grimmige Entschlossenheit der Männer dort unten spüren.
    Louise legte den Kopf schräg und lauschte. Ein sonderbarer Ausdruck erschien auf ihrem wunderschönen Gesicht, der Lena erschreckte: keine Besorgnis oder Furcht, sondern eher das Gegenteil, eine wilde, düstere Vorfreude auf die Gewalt und das Töten, die unweigerlich kommen mussten.
    »Bitte nicht«, sagte Lena.
    »Hast du Angst, ich könnte deinen kleinen zerbrechlichen Freunden wehtun?«, sagte Louise abfällig. »Wenn du dich jetzt nicht entscheidest, zu wem du gehörst, wann dann?«

    »Wenn du hier ein Blutbad anrichtest, dann siehst du mich nie wieder«, sagte Lena entschlossen.
    Ihre Worte machten Louise nur noch wütender, das sah sie ihr an, aber dann beherrschte sie ihren Zorn nicht nur, sondern zwang sogar einen fast schon verständnisvollen Ausdruck auf ihr Gesicht. »Wenn sie uns erwischen, dann nehmen sie dich mir weg«, sagte sie.
    »Ich wusste gar nicht, dass ich dir gehöre«, antwortete Lena spröde.
    »Und dich würden sie wahrscheinlich umbringen«, fuhr Louise ungerührt fort. Die Schritte kamen näher. Ihnen blieben nur noch Sekunden, bis die Polizisten da waren.
    »Dann solltest du dir lieber etwas einfallen lassen«, sagte Lena ruhig. »Noch ein Toter, und ich gehe das Risiko ein.«
    Louise seufzte tief. »Vertraust du mir?«
    »Natürlich nicht.«
    »Dann ist es ja gut«, sagte Louise - und war wie durch Zauberei plötzlich hinter ihr. Sie schlang ihr den Arm um den Hals, zwang ihren Kopf in den Nacken und hielt plötzlich ein aufgeklapptes Rasiermesser in der Hand. Als die ersten maskierten SEK-Beamten die Treppe heraufgestürzt kamen, drückte sie ihr die Klinge gegen den Hals und sagte sehr ruhig: »Noch einen Schritt, und ich schneide ihr die Kehle durch!«
    Die Männer stürmten erst noch weiter in die Höhe, hielten dann aber an und richteten ihre Waffen auf Louise und sie.
    »Verschwindet!«, sagte Louise drohend. »Ich meine es ernst. Noch einen Schritt näher, und die Kleine ist tot!«
    Niemand rührte sich. Die Polizisten wirkten ratlos, wichen aber auch keinen Millimeter zurück, worauf Louise ihrer Drohung ein bisschen mehr Nachdruck verlieh, indem sie Lenas Kopf noch weiter nach hinten riss und ihr einen dünnen, aber heftig blutenden Schnitt an der Kehle zufügte. Lena verfluchte sie in Gedanken für diese Leichtsinnigkeit, denn spätestens
wenn die Wunde zu bluten aufhörte und wie durch Zauberei verschwand, musste den SEKlern auffallen, dass hier irgendetwas nicht stimmte.
    Aber die Wunde schloss sich nicht. Sie hörte auch nicht auf zu bluten. Und sie tat weh.
    »Keine Sorge, Liebes«, flüsterte Louises dicht an ihrem Ohr. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mir vertrauen kannst.« An die Mauer aus gepanzerten Polizisten und Gewehren gewandt, sagte sie laut: »Die Waffen weg! Und zurück, oder die Kleine ist tot!«
    Nicht ein einziger Mann legte tatsächlich seine Waffe weg, aber die meisten MPis und Pistolen wurden gesenkt, und schließlich begannen die Männer nach beiden Seiten auseinanderzuweichen, um sie passieren zu lassen.
    Louise rührte sich nicht. »Keine Chance, Freunde«, sagte sie. »Zurück! Runter mit euch, alle!«
    Lena konnte regelrecht sehen, wie es bei den Männern hinter der Stirn arbeitete. Sie beging keine Sekunde lang den Fehler, die Männer zu unterschätzen. Die Sturmhauben und Schutzbrillen löschten nicht nur ihre Gesichter aus und nahmen ihnen jegliche Individualität, sondern ließen sie dadurch auch harmloser erscheinen, als sie waren; tumbe Sturmtruppen, die nur schießen und sterben konnten, mehr nicht. Aber das Gegenteil war der Fall: Jeder einzelne dieser Männer war ein hoch

Weitere Kostenlose Bücher