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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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Sie selbst gesehen - und ungefähr hundert Zeugen auch!«
    Lummer schwieg eine geraume Weile, und schließlich ließ er sich wieder zurücksinken und seufzte mit geschlossenen Augen. »Sie wollen anscheinend einfach nicht begreifen, Lena«, fuhr er mit veränderter Stimme fort. »Ich bin nicht Ihr Feind. Tut mir leid, wenn ich gerade ein bisschen laut geworden bin, aber glauben Sie mir, das ist nichts gegen das, was andere mit Ihnen machen werden. Helfen Sie mir, dann kann ich Ihnen auch helfen.«
    »Ich wüsste nicht, wobei«, antwortete Lena.
    »Warum fangen wir nicht damit an?« Lummer griff in die Jackentasche und zog etwas Kleines und Dunkles heraus, das Lena erst auf den zweiten Blick erkannte - aber dann riss sie umso erstaunter die Augen auf.
    Es war das winzige Notizbuch, das sie in Iwans Brieftasche gefunden hatte. Und sie hatte sich eindeutig nicht gut genug in der Gewalt, um so zu tun, als wüsste sie nicht, was es war.
    »Sie hätten sich eine Menge Ärger ersparen können, wenn Sie uns das gleich gegeben hätten«, sagte Lummer. »Und sich
selbst und Ihren Freundinnen auch. Aber das muss ich Ihnen wohl nicht extra sagen, nicht wahr?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was das ist.«
    »Weil du es noch nie zuvor gesehen hast, nehme ich an.«
    Lena glaubte nicht, dass sein ständiger Wechsel zwischen du
    und Sie Zufall war oder auch nur Unachtsamkeit. Auch seine Betonung und selbst seine Körpersprache änderten sich. Vermutlich war er ein ziemlich guter Polizist. Oder zumindest ein erfolgreicher. Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie kommen dann deine Fingerabdrücke darauf?«, fragte Lummer.
    »Die haben Sie gar nicht.«
    »Nein, ich nicht«, antwortete er. »Aber unser Computer hat sie. Und hier drauf sind sie auch.« Er wartete vergeblich auf eine Antwort, ließ die winzigen Seiten wie ein Daumenkino durch die Finger surren und setzte ein nachdenkliches Gesicht auf. »Ich mache es dir leicht. Ich rate ein bisschen herum, und du musst nur nicken, wenn ich recht habe. So wie ich die Sache sehe, hast du unserem Freund Iwan die Brieftasche geklaut, ohne zu wissen, wer der Kerl wirklich ist. So weit, so gut. Das interessiert nun wirklich niemanden. Aber dann hast du das hier gefunden, stimmt’s?«
    »Ich weiß nicht einmal, was das ist!«
    »Und das glaube ich dir sogar«, antwortete er. »Aber irgendjemand hat es zumindest geahnt und ist auf die grandiose Idee gekommen, dass dieses kleine Büchlein doch etwas wert sein könnte. Wer war das Genie? Dein Bewährungshelfer? Oder deine drei neuen Freundinnen?«
    Lena schwieg verbissen weiter.
    »Ihr habt euch mit den Falschen angelegt, Mädchen«, fuhr Lummer fort. »Diese Kerle erpresst man nicht, es sei denn, man ist lebensmüde. Deine Mutter ist schon tot, Holden auch, und diesen armen Türkenjungen haben sie auch erledigt. Und
in dem, was ihr von der Hotelsauna übrig gelassen habt, haben wir zwei von Gusows Schlägern gefunden. Nicht dass es schade um sie wäre.«
    »Gusow? Wer soll das sein?«
    »Stepan Gusow«, erklärte Lummer. »Der Chef der Zuhälterbande, mit der ihr euch angelegt habt. Er ist wirklich gefährlich.«
    »Amüsieren Sie sich deshalb damit, unschuldige Mädchen zu jagen und ihre eigenen Kollegen zu bespitzeln, statt ihm das Handwerk zu legen?«
    Diesen Ton kannte Lummer offensichtlich gut genug, um nicht darauf zu reagieren. Er deutete auf das Notizbuch. »Der Text ist verschlüsselt, aber unsere Spezialisten sind schon dabei, den Code zu knacken, und ich kann dir jetzt schon sagen, dass da genug drinsteht, um die Hälfte von Gusows Halsabschneidern aus dem Verkehr zu ziehen und wahrscheinlich zwei Drittel seiner Läden dichtzumachen. Das Zeug ist das reinste Dynamit. Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, ihr könntet Stepan damit erpressen, oder? Du hättest es uns gleich geben sollen.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, beharrte Lena, und zumindest in diesem Moment war das sogar die Wahrheit.
    »Jemand hat uns dieses Buch geschickt«, sagte er. »Um genau zu sein, hat er es Tom geschickt, an seine Privatadresse. Anonym, aber mit deinen Fingerabdrücken. Hättest du es uns gleich gegeben, dann wäre uns allen eine Menge Ärger erspart geblieben.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung …«, begann Lena.
    Lummer unterbrach sie. »Wovon ich rede, ich weiß. Wie lange wollen wir noch so weitermachen?«
    »Kommt drauf an, wie viel Zeit Sie haben«, sagte Lena.
    »Nicht mehr viel.« Lummer sah auf die Uhr. »Um genau zu sein, so gut wie

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