Wir sind die Nacht
breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, um dort Dinge zu tun, von denen sie sich vergeblich einredete, dass sie sie nicht wollte. Sie wusste auch sehr gut, was Louise tat und warum sie es tat, aber sie war unfähig, sich dagegen zu wehren.
»Louise …«, murmelte sie schwach.
»Schschsch«, flüsterte Louise an ihrem Ohr. Ihr Atem war warm und kribbelte an ihrem Hals. Er roch nach Zigarettenrauch, aber auch leicht süßlich und nach noch etwas, was sie nicht genau beschreiben konnte, was sie aber fast in den Wahnsinn trieb. »Sag nichts, Liebes. Ich weiß, wie du dich fühlst, glaub mir. Aber es wird alles gut.«
Ihre Lippen berührten ihren Hals, wanderten so sanft wie die Berührung eines Schmetterlingsflügels in ihren Nacken, und ihre Fingerspitzen wanderten an ihrem Rückgrat hinab und setzten jeden einzelnen Nerv in ihrem Körper in Brand. Lena stöhnte ganz leise. Sie versuchte ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht.
»Vertrau mir einfach«, flüsterte Louise. Ihre Hände legten sich wieder auf Lenas Schultern und drehten sie mit sanfter Gewalt herum, und ihre Gesichter waren sich jetzt so nahe, dass ihre Augen das gesamte Universum auszufüllen schienen. Da war etwas in ihnen, etwas unendlich tief am Boden dieser beiden schwarzen Abgründe, was sie zugleich erschreckte wie in seinen Bann schlug. Ihr Herz raste noch schneller, und in
ihrem Schoß begann ein Feuer zu lodern, das mit verzehrender Schnelligkeit von ihrem gesamten Körper Besitz ergriff.
»Du … du hast versprochen, mich zu nichts zu zwingen«, flüsterte sie, nachdem sich ihre Lippen nach einer schieren Ewigkeit wieder voneinander lösten.
»Und ich halte dieses Versprechen«, antwortete Louise. »Das bin nicht ich, Liebes. Das bist du.«
Sie las in Louises Augen, dass das die Wahrheit war, und absurderweise war es genau diese Erkenntnis, die ihr die Kraft gab, Louises Hand von sich wegzudrücken. Nicht nur ihr Körper verzehrte sich vor Verlangen nach Louise. Sie war so … wunderschön.
Louise machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. Ganz kurz blitzte sogar Zorn in ihren Augen auf, aber das schwarze Feuer erlosch auch fast genauso schnell wieder, wie es gekommen war, und sie trat nicht nur ihrerseits ein weiteres Stück zurück, sondern lächelte sogar.
»Du hast Angst vor dir selbst«, sagte sie. »Das verstehe ich. Ich muss dir wohl noch ein wenig Zeit lassen.«
»So ungefähr eine Million Jahre?«, schnaubte Lena. »Oder zwei?« Aber sie sagte es mit einer Stimme, die ihre Worte Lügen strafte und Louises Worte zu in Stein gemeißelter Wahrheit machten.
»Ganz so lange wird es nicht dauern«, erwiderte Louise lächelnd. »Hör einfach auf dein Herz.«
Es war nicht ihr Herz, sondern ein ganz anderer Körperteil, der im Moment Lenas gesamtes Denken und Fühlen beherrschte. Sie versuchte sich an diesen Gedanken zu klammern wie eine Ertrinkende an den berühmten Strohhalm. Es war nur körperlich. Ihre Hormone spielten verrückt, und sie war scharf auf Louise und brauchte einfach das, was jeder gesunden jungen Frau zustand …
… aber da war auch noch mehr. Da war etwas ganz tief in
Louise, etwas noch unter dem Insekten-Ding, das sich hinter der Maske von Louises göttinnengleicher Schönheit verbarg, das nach ihr rief. Etwas Uraltes und Fremdartiges und trotzdem Verwandtes, nach dem sie sich so unendlich sehnte.
»Vertagen wir das auf später, okay?«, sagte Louise, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. »Hier ist ohnehin nicht das richtige Umfeld.«
»Wofür?«, fragte Lena. Schon dieses eine Wort herauszubringen kostete sie fast ihre ganze Kraft.
»Ich finde, das erste Mal sollte immer etwas Besonderes sein«, antwortete Louise zwar lächelnd, aber auch mit großem Ernst. »Ein weißer Traumstrand in der Karibik. Palmen. Eine sternenklare Nacht und leise Musik. Ein gutes Glas Champagner …« Sie kicherte. »Ich weiß, wie kitschig das klingt, aber ich bin nun mal eine unverbesserliche Romantikerin.«
Da war noch etwas, was diese Vorstellung störte, dachte Lena. Etwas, was schon die ganze Zeit über da gewesen war, sich aber beharrlich weigerte, sich zu erkennen zu geben.
»Wo ist Charlotte?«, fragte sie.
Eigentlich hatte sie es nur gefragt, um überhaupt etwas zu sagen, aber Louise sah sie auf eine Art an, als hätte sie ihr ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen.
»Sie … hat etwas zu erledigen«, sagte sie schließlich in fast abweisendem Ton.
»Etwas, was mich nichts
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