Wir sind die Nacht
zentimeterdicken Panzerglasscheiben, die mit beeindruckenden elektronischen Schlössern gesichert waren. Vielleicht trotzdem nicht gut genug, denn Louise hatte bereits ein halbes Dutzend Vitrinen geöffnet und grub mit beiden Händen in all den ausgestellten Kostbarkeiten. Möglicherweise hatte sie Louise und ihre beiden Freundinnen doch falsch eingeschätzt, dachte sie benommen. Wenn auch unter gänzlich anderen Umständen, so schien Louise unter Shopping letzten Endes doch dasselbe zu verstehen wie sie.
»Hier, die müsste dir stehen. Passt hervorragend zu deinem Haar und deinen Augen!« Louise glitt so dicht an ihr vorbei, dass ihr Haar an Lenas Wange entlangstrich und einen prickelnden Schauer in ihrem ganzen Leib auslöste, und legte ihr ein teures Brillantcollier um den Hals. »Und jetzt Eure Hand, Mademoiselle.«
Lena streckte gehorsam den rechten Am aus, aber Louise drückte ihn herunter, griff nach ihrer anderen Hand und ließ den Verschluss einer eleganten Damen-Rolex einrasten. »Damit du immer ganz genau weißt, wann die Nacht vorüber ist, Liebes.«
»Und Tusch!«, kicherte Nora. »Sie dürfen die Braut jetzt küssen!«
Louise sah sie stirnrunzelnd an, worauf Nora nur noch alberner kicherte, sich selbst umarmte und einen spitzen Kussmund machte.
»Nora«, seufzte Louise. »Bitte.«
»Aber wo ich doch recht habe«, schmollte Nora.
Louise setzte zu einer womöglich noch ärgerlicheren Entgegnung an, ließ es dann aber bleiben und wandte sich wieder an Lena. »Komm, gehen wir endlich Schuhe kaufen.«
Genau wie sie es vorhin gesagt hatte, gab es hier unten keine Schuhe. Wortlos folgte Lena ihr in die erste Etage hinauf. Nora kam mit einem halben Dutzend Schritten Abstand nach und hielt diese Distanz auch weiter ein, als sie das erste Schuhgeschäft betraten, wo sie wieder Louise die Auswahl überließ.
»Ist schon ein komisches Gefühl, wenn einem plötzlich die ganze Welt gehört, wie?«, fragte Nora sie.
Louise kam mit dem dritten oder vierten Paar italienischen Designerschuhen zurück, stellte sie kopfschüttelnd weg, ohne Lena sie anprobieren zu lassen, und verschwand wieder hinter der Theke.
»Tut sie das denn?«, fragte Lena zurück.
»Wie man’s nimmt«, antwortete Nora. »Jedenfalls der Teil davon, der uns gefällt.«
Lena warf einen vorsichtigen Blick auf das dezente Preisschild an einem der Schuhkartons und schnappte nach Luft.
»Was ich immer sage«, sagte Nora. Eigentlich summte sie es im Takt der leisen Musik, in der sie sich auch immer noch langsam hin- und herwiegte. »Geld allein macht ja möglicherweise wirklich nicht glücklich, aber ich könnte auch nicht behaupten, dass es einen per se unglücklich macht.«
»Sagt man aber«, sagte Lena.
»Das ist ein Märchen«, behauptete Nora. »Bösartige Propaganda, von denen in die Welt gesetzt, die keines haben.«
»Ihr versucht mich zu kaufen«, sagte Lena.
»Wer weiß?« Louise stellte mit einem gekonnten Griff gleich vier Paar Schuhe vor ihr auf. »Die müssten besser zu deinem Kleid passen. Ich übernehme aber keine Garantie, ob sie auch bequem sind.«
»Mich kann man nicht kaufen«, sagte Lena.
»Hat es denn schon mal einer versucht?«, erkundigte sich Louise. »Ernsthaft, meine ich?«
Nein. Wer wohl? Lena presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
»Niemand versucht dich zu kaufen, Kleines«, sagte Nora. »Louise könnte das, aber sie würde es niemals tun, glaub mir. Sie könnte dich auch zwingen, und du würdest es nicht einmal merken.«
»Nora!«, sagte Louise streng.
»Aber wie gesagt: keine Angst«, fuhr Nora unbeeindruckt fort. »So etwas würde sie nie tun. Das geht gegen ihren Stolz.«
»Ist das wahr?«, fragte Lena.
Louise sagte nichts dazu und sah sie nur an, aber Lena las die Antwort in ihren Augen. Es gab nicht viel, was diese unheimliche Frau nicht zu tun imstande war oder auch tun würde … aber sie würde sie nicht anlügen.
»Was soll dann das alles hier?«, fragte sie.
»Nimm es als kleines Willkommensgeschenk«, antwortete Louise. »Außerdem möchte ich, dass du schön bist.«
»Wozu?«
»Um mich an deinem Anblick zu erfreuen?«, sagte Louise. »Siehst du dir nicht gern hübsche Dinge an?«
Lena war sich nicht ganz sicher, ob sie es wirklich schmeichelhaft fand, als ein hübsches Ding bezeichnet zu werden, und ganz unabhängig davon begann sich das Gespräch immer mehr in eine Richtung zu entwickeln, die ihr nicht behagte.
»Das wird dir nichts nutzen«, sagte sie stur.
»Da
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