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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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gesellen«, sagte Katty und blickte hinauf zum Haus. Gertrud folgte ihrem Blick und sah das Fenster, hinter dem Heinrich bereits bei ihrer Verlobungsfeier vor dreißig Jahren gestanden hatte. Dort vermutete sie ihn auch jetzt, da Heinrich die Angewohnheit hatte, eine Gesellschaft zu beobachten, bevor er sich unter sie mischte. Heinrich war alt geworden, fand sie, aber sie selbst wahrscheinlich auch. Damals war sie nicht einmal einundzwanzig gewesen. Was wäre gewesen, wenn Heinrich ihre Hochzeit mit Franz nicht vereitelt hätte? Wäre sie heute mit Franz glücklich? Hätte er die beiden Kriege überlebt?
    Als Heinrich endlich auf die Gesellschaft zukam, blickte Gertrud ihn gedankenverloren an. Sie wünschte sich, sie könnte aufhören, ihm gram zu sein, aber das ging nicht, nicht einmal jetzt, wo sie ihm eigentlich dankbar sein sollte.
    »Herr Hegmann, was haben die Alliierten mit uns vor?«, fragte jemand. »Stimmt es, dass Deutschland zerschlagen wird?«

    »Meines Wissens sind die Russen und die Amerikaner längst zerstritten. Und wir sollten uns mit den Amerikanern gut stellen. Die meinen es besser mit uns als die Russen. In Köln gibt es einen deutschen Oberbürgermeister, ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Die Amerikaner wollen es wohl noch einmal mit uns versuchen.«
    »Aber sind die Russen mit ihrem Kommunismus nicht eine interessante Alternative? Immerhin wollen die, dass jeder die gleichen Chancen in der Welt hat?«, fragte Paula. Schön wär’s, dachte Gertrud, aber sie persönlich glaubte nicht daran. Dieser Idealismus stand Paula besser, die immer versuchte, Gerechtigkeit und Harmonie herzustellen. Ganz anders als Katty, die konfliktfreudig war und in ihren Ansichten mittlerweile stark von Heinrich Hegmann beeinflusst wurde, wie Gertrud jetzt bemerkte. Denn sie hörte, wie ihre Schwester umgehend zu schimpfen begann.
    »Paula, jetzt bitte ich dich aber. Nichts ist so schlimm wie diese Kommunisten. Bei denen geht es allen Menschen gleich, meinst du? Gleich schlecht vielleicht. Die werden gleichgemacht, indem man die Großen einen Kopf kürzer macht. Das ist Kommunismus. Ihr habt doch gerade selbst gesagt, wie die Russen in Berlin hausen.«
    »Sie haben das klug erkannt«, lobte Heinrich. »Ich denke auch, dass wir mit der amerikanischen Freiheit mehr erreichen können.« Währenddessen musterte er Katty intensiv. Katty gefiel Heinrich, das war nicht zu übersehen und das war auch kein Wunder, dachte Gertrud. Sie hatte einen ausgeprägten politischen Instinkt, dazu eine große Leidenschaft und die Gabe, Menschen zu begeistern. Sie könnte jemandem wie Heinrich in diesen Zeiten des Umbruchs sehr nützlich sein. Die Wangen ihrer jüngsten Schwester glühten vor Stolz und Freude über Heinrichs Lob oder gab es dafür etwa noch einen anderen Grund? Als Katty ihren Blick bemerkte, schaute sie weg, als fühlte sie sich ertappt. Gertrud begann, die beiden genauer zu beobachten. Bislang hatte sie Katty und Heinrich nie so vertraut zusammen erlebt. Konnte es daran liegen, dass sie ein sehr vertrauensvolles Arbeitsverhältnis hatten? Aber wenn Gertrud nicht alles täuschte, benahm sich ihre Schwester wie eine verliebte Frau. Sie lächelte Heinrich fast unentwegt an, was sie selbst gar nicht zu bemerken schien, außerdem gestikulierte sie auf eine Art und Weise, die kokett wirkte. Jemand anderes als Heinrich konnte damit kaum gemeint sein. Und auch Heinrich war deutlich weicher, als Gertrud ihn in Erinnerung hatte. Sie hatte ihn noch nie mit einem so samtigen Blick gesehen wie eben, als er Katty gelobt hatte. Gertrud konnte es sich kaum vorstellen, aber dennoch: Im Verhalten der beiden deutete einiges darauf hin, dass sie ein Paar waren. Das alles gab Anlass zur Sorge, denn sie war sich sicher, dass Heinrich Hegmann seinem Standesdünkel nie abschwören würde. Er würde nie das tun, was er seinem Bruder verboten hatte. Und Katty würde unglücklich werden, so viel war sicher. Sie würde ihre kleine Schwester beiseitenehmen müssen, um sie vor Heinrich zu warnen.
    Gertrud konzentrierte sich wieder auf das Tischgespräch und hoffte auf einen Moment, in dem sie ungestört mit Katty reden könnte.
    Die Gelegenheit ergab sich am Nachmittag, als die Gesellschaft sich langsam auflöste und Katty das benutzte Geschirr abräumte. Gertrud folgte ihr, mehrere Teller balancierend, bis sie zu zweit in der Küche standen.
    »Wir sollten uns unterhalten«, begann sie das Gespräch und versuchte aus der Miene ihrer Schwester

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