Wir sind doch Schwestern
persönliches Geschenk machen. Ich habe ihnextra heute spielen lassen. Ich kann verstehen, dass seine Musik morgen nicht so angebracht wäre. Aber ich finde, es ist kein Grund, sich darüber jetzt aufzuregen.« Katty hatte energisch gesprochen, sie wollte es kurz machen und ins Bett gehen. Gertrud schaute Katty verwundert an.
»Hältst du mich für so undankbar? Wieso denkst du, dass ich grundsätzlich unzufrieden bin?«
Katty antwortete nicht. Sie hatte das Gefühl, dass sie immer wieder auf das gleiche Gleis gerieten, das sie unweigerlich auf Konfrontationskurs brachte. »Habe ich dich jemals zu Unrecht gemaßregelt oder dir irgendetwas nicht gegönnt?«, hörte sie ihre Schwester fragen. Als Katty immer noch nicht bereit war, die erwünschte Antwort zu liefern, wurde Gertrud lauter.
»Habe ich nicht immer recht gehabt, wenn ich dir einen guten Rat gegeben habe? Muss ich dich daran erinnern, was alles schiefgelaufen ist? Ich habe dich von Anfang an gewarnt. Du hättest den Hof verlassen sollen. Ich habe dir oft genug angeboten, zu mir nach Duisburg zu kommen.« Oh nein, dachte Katty, jetzt nicht auch noch diese alte Leier.
»Wie kommst du denn schon wieder auf so olle Kamellen? Wir reden doch über Piet.«
»Nein, an Piet ist überhaupt nichts auszusetzen. Ich rede über dich, über dein Verhalten mir gegenüber. Du benimmst dich wie ein störrischer Esel und lehnst alles ab, was ich dir sage, ohne es überhaupt in Betracht zu ziehen.«
»Hat dir Piets Auftritt also gefallen?«, versuchte Katty verzweifelt einzulenken, aber es funktionierte nicht.
»Ja, bis eben war ich sehr zufrieden. Aber jetzt lenk nicht ab. Warum denkst du so schlecht von mir? Du stellst mich als eine humorlose, nörglerische Person dar. Hat Heinrich dich gegen mich aufgehetzt?«
»Ach, Gertrud, nun lass den Unsinn. Heinrich ist seit einemVierteljahrhundert tot. Es ist zu spät für solche Gespräche. Wir haben doch einen sehr schönen Abend verbracht. Und morgen wird es noch besser. Es werden viele Leute kommen, dir zu Ehren. Nun lass uns nicht streiten.«
»Ich wollte gar nicht streiten«, gab Gertrud kleinlaut zu. »Ich habe mich wirklich über Piets Auftritt gefreut. Und eigentlich wollte ich dir dafür danken. Warum geraten wir nur immer so schnell aneinander?«
Weil du glaubst, mich zu durchschauen, dachte Katty und schwieg. Und weil das vermutlich sogar stimmt. Katty hatte sich in der schweren Zeit mit Anna Maria von Gertrud kontrolliert und ertappt gefühlt. Ihre Schwester hatte damals alles mitbekommen, sogar das, was Katty ihr lieber verheimlicht hätte. Sie hatte ihr nie gesagt, welche Gefühle sie für Heinrich hegte, aber es war auch nicht nötig gewesen. Gertrud konnte ihr bis ins Herz schauen, und Katty hatte das nicht ertragen. Ihr fiel der furchtbare Streit ein, den sie kurz nach der Hochzeit ausgefochten hatten. Es war an Kattys Namenstag gewesen, Heinrich war in den Flitterwochen und hatte ihr ein Telegramm geschickt.
»Kommen unbedingt erwünscht!« stand darauf, er hatte ein Ausrufezeichen dahintergesetzt.
»Was schreibt er denn?«, fragte Gertrud, die zu Kattys Ehrentag zu Besuch war, unverhohlen neugierig, und Katty versuchte beiläufig zu klingen.
»Er gratuliert mir zum Namenstag.«
»Das ist nicht alles, oder? Er schickt doch nicht einfach so ein Glückwunschtelegramm. Was will er?«
Katty erinnerte sich, dass sie sich gefragt hatte, ob Gertrud Heinrich so gut kannte oder ob sie einfach nur über eine bemerkenswerte Intuition verfügte. Man konnte ihrer Schwester nichts vormachen, bis heute nicht, und das machte Katty wütend. Sie hatte sich damals dem Donnerwetter ausgesetzt: »Ich soll nach Bad Honnef kommen«, gab sie zu, und Gertrud ging regelrecht in die Luft. Sie verbat es ihr strikt.
»Wieso?«, Katty hatte vermutlich genauso scheinheilig geklungen, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Und als ihr klar wurde, dass ihre Stimme sie verraten hatte, ging sie sofort zum Angriff über. Sie gab vor, die ersten Wahlen in Baden-Württemberg müssten besprochen werden und sie vermute, er brauche sie, um Glückwunschtelegramme aufzusetzen. Und schließlich führte sie an, dass immerhin Theodors Grab in der Nähe sei und sie beide schon lange dorthingewollt hatten.
»Hör auf zu lügen, Katharina«, fiel Gertrud ihr ins Wort. Ihre Schwester nannte sie immer nur bei vollem Namen, wenn sie sie maßregelte, als gäbe ihr das die Autorität, sogar jetzt noch in die Rolle der Erziehungsberechtigten zu
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