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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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Angebot von Heinrich gekommen war, Katty aufzunehmen und ihr einegute Ausbildung zu ermöglichen, waren sie alle froh gewesen. Ja, Paula hatte mit ihrem Einwand absolut richtiggelegen. Damals hätte es vielleicht die Möglichkeit gegeben, das Schicksal in eine andere Richtung zu lenken. Danach nicht mehr.
    »Was soll ich denn tun?«, hatte Gertrud Paula am Ende des Gesprächs um Rat gebeten, und die hatte geantwortet, sie solle einfach Schwester sein.
    Gertrud nahm ihr Büchlein mit Bleistift und schrieb: »Wir sind doch Schwestern.« Sie legte das Buch zufrieden weg und nahm den gedanklichen Faden wieder auf. Katty hatte den Teweshof in Empel, ihr Elternhaus, nicht freiwillig verlassen. Kein Wunder also, dass sie um ihr nächstes Zuhause, den Tellemannshof, später so gekämpft hatte. Der Hof war für Katty von Anfang an mehr gewesen als eine Bleibe. Bis heute betonte sie, dass sie ihn nur über ihre Leiche verlassen würde. Eigentlich könnte sie mehr Verständnis dafür aufbringen, dass ich meine Wohnung in Xanten nicht aufgeben will, dachte Gertrud und wusste sofort, dass das nicht zu vergleichen war. Für sie war das Appartement eine Wohnung und nicht ihre Heimat.
    Doch wo war ihr Zuhause dann? Sie war oft umgezogen in ihrem Leben. Nachdem sie Empel verlassen hatte, war sie nach Xanten gegangen, dann nach Bad Honnef und Duisburg, schließlich, als sie schon in Rente gewesen war, hatte sie sich wieder in Xanten niedergelassen, wegen der Nähe zu Katty. Sie hätte für keine der Bleiben gekämpft, nicht einmal jetzt. Es ging ihr um Selbstständigkeit, egal wo. Doch mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass auch sie immer für etwas gekämpft hatte, selbst wenn die Umstände widrig gewesen waren: für ihre Schwestern. Eigentlich waren ihre Schwestern ihre Heimat, und die würde sie nicht verlassen, solange sie lebte.
    Vielleicht sollte sie endlich nach Hause gehen, überlegte Gertrud und merkte, dass sie sich entspannte. Mit dieser Entscheidung würde sie ruhig schlafen können.

Der 100. Geburtstag – Sonntag
Nie wieder Blümchenkaffee
    »Was ist denn das für eine Plörre?«, schimpfte Gertrud wie üblich über den Kaffee, den Katty gekocht hatte. Dabei machte sie als einziges Familienmitglied genießbaren Bohnenkaffee, fand Katty. Aber heute war Gertruds Geburtstag und deshalb gab sie, ohne zu diskutieren, klein bei. Sie nahm Gertrud die noch volle Kaffeetasse aus der Hand, schüttete den Inhalt in den Ausguss und setzte neuen Kaffee auf, so wie Gertrud ihn sich wünschte.
    »Das ist mein frühmorgendliches Geburtstagsgeschenk«, sagte sie fröhlich und nahm ihre Schwester in den Arm.
    »Alles Gute, meine Liebe.«
    »Danke. Und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann hätt’ ich den Kaffee jetzt gern jeden Morgen so.«
    Katty verstand nicht, was Gertrud sagen wollte. Die genoss die Verwirrung, die sie stiftete, sichtlich, lachte ihr zahnloses heiseres Lachen und gab ebenso heiser wie feierlich bekannt:
    »Ich bleibe hier. Ich gebe meine Wohnung in Xanten auf. Aber zum Einzug wünsche ich mir morgens einen vernünftigen Kaffee, außerdem … warte mal«, sie nahm ein Blatt Papier aus dem Ärmel, das eingerollt war wie die Papyrusrolle eines früheren Herolds, »ich habe mir eine Liste gemacht. Also: eine moderne Matratze, Croissants und Schwarzbrot im Wechsel,keinerlei Behelligung durch belgische Musik, eine angenehme Raumtemperatur und morgens schon Ordnung auf und unter dem Tisch.« Ihre Schwester strahlte sie an, aber Katty wusste nicht recht, was sie davon zu halten hatte. Da stieß Gertrud sie mit dem Ellenbogen an.
    »Mensch, Katty, hast du deinen Humor im Bett gelassen? Du wolltest mich doch hierhaben, oder?«
    Katty brauchte noch einen Moment, um ihre entgleisten Gesichtszüge wieder zu ordnen, dann durchströmte sie ein wohliges Gefühl der Erleichterung. Sie hatte befürchtet, dass es wegen dieses Themas in einigen Tagen erneut Streit geben würde und alles, was in der Vergangenheit ruhte, noch einmal auf den Tisch käme, achtzig Jahre Bitterkeit, und dass sie, weil sie sich natürlich im Endeffekt durchsetzen würde, von Stund an täglich die Rechnung präsentiert bekäme. Und nun das: Ihre sonst so halsstarrige Schwester war nicht nur einsichtig, sie machte sogar den ersten Schritt. Katty lief eine Träne über die Wange, die sie schnell wegwischte.
    »Ich bitte dich, das ist doch kein Grund zum Heulen. So schlimm bin ich nun auch wieder nicht. Nur weil ich mal den Arzt verprügle«, nahm sich Gertrud

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