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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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vorstellten, dass diese Liste auch bei den Anwälten gelandet war. Das war aber der einzig komische Moment gewesen, denn damit war offiziell bestätigt: Anna Maria hatte die Scheidung eingereicht. Bis dahin hatte Heinrich alles nur Erdenkliche versucht, um seine Frau zum Bleiben zu bewegen. Alles hatte er versprochen. Fast alles, korrigierte sich Katty, denn es hatte zwei zentrale Forderungen von ihrer Seite gegeben, und beide waren für Heinrich nicht akzeptabel gewesen. Er hatte rigoros abgelehnt, Katty fortzuschicken. Als Alternative hatte Anna Maria die Möglichkeit unterbreiten lassen, zwar getrennt von Heinrich zu leben, aber die Scheidung zu umgehen, wenn er ihr eine einmalige Abfindung in Höhe von 15.000 Mark zukommen ließe. Ein solches Vermögen hatte nicht einmal Heinrich aufbringen können. Anna Maria und ihr Anwalt hatten die öffentliche Stellung Heinrich Hegmanns ausgenutzt. Sie waren sicher gewesen, dass er es niemals zu einem Scheidungsprozess kommen lassen würde. Das hatte sich Anna Maria anscheinend schon an dem Tag nach der Landtagswahl 1947 ausgerechnet, als sie Heinrich und den Hof endgültig verließ. »Ich sorge dafür, dass du blamiert bist und mit dir die ganze CDU «, hatte sie zum Abschied gesagt. Und Heinrich hatte geahnt, dass sie recht behalten würde. Ein Mann wie er, der von seiner eigenen Ehefrau wegen ehewidrigen Verhaltens vor Gericht geschleppt wurde, hatte keine Chance, erneut gewählt zu werden. Und da viele Bauern die CDU im Kreis Moers seinetwegen wählten, wäre nicht auszuschließen gewesen, dass beim nächsten Mal die SPD den Wahlkreis Moers-Nord gewinnen würde, was einer Katastrophe gleichgekommen wäre. An jenem Tag hatte er sich eingehend mit Katty beraten und befunden:
    »Ich kann mein Landtagsmandat nicht antreten. Ich muss mit den Verbänden reden. Sie müssen einen anderen aufstellen.«

    »Das kommt gar nicht infrage«, hatte Katty erwidert, »daran haben wir zu lange gearbeitet. Und du bist gestern gewählt worden, weil das Volk dir vertraut. Du musst das Mandat antreten. Du kannst die Menschen nicht enttäuschen. Es ist deine Pflicht. Und wenn es nicht anders geht, dann hole sie wieder zurück. Dann, … dann muss ich eben gehen«, hatte sie mit zitternder Stimme angeboten.
    »Wenn du nicht mehr da bist, wird sie einen anderen Grund finden, um mir das Leben schwer zu machen. Ich glaube überdies nicht, dass sie noch einmal mit mir auf den Hof kommt.«
    »Dann musst du mit deinen Kollegen im Landtag, im Kreistag und bei den Verbänden sprechen. Erkläre ihnen, was passiert ist.«
    »Das kann ich nicht. Ich bin blamiert. Stell dir vor: ein Mann wie ich, der von seiner Frau verlassen wird.«
    Heinrich hatte daraufhin zwar einen Rechtsanwalt eingeschaltet, aber versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erwirken, die eine Scheidung vermeiden könnte. Vergeblich. Nach langen Verhandlungen hatte die Klage in der Post gelegen.
    Die Klageschrift war eine einzige Ungeheuerlichkeit gewesen, Katty hatte gestern Abend sofort wieder Herzklopfen bekommen, als sie sie erneut gelesen hatte. Seit sie ihn im Schrank gefunden hatte, übte dieser Ordner eine merkwürdige Anziehungskraft auf sie aus. Sie konnte nicht anders, als diese unsäglichen Vorwürfe immer wieder zu lesen, um sie dann angewidert wegzulegen. Die vierzehnseitige Klageschrift hatte sie nun zum dritten Mal durchgearbeitet, und sie wusste nicht einmal genau, warum. Es kam ihr vor, als suchte sie darin etwas Bestimmtes, vielleicht den einen Satz, der jeden Zweifel daran nahm, dass auch nur ein Fünkchen Wahrheit in diesen Anschuldigungen steckte. Aber Katty wusste es besser.
    Anna Maria beschuldigte Heinrich in der Klageschrift desBetrugs und eines lieblosen Verhaltens gegenüber seiner Ehefrau, damit habe er eine nicht mehr zu kittende Zerrüttung der Eheleute verschuldet. Der Bestand der Ehe, so hieß es, sei insbesondere dadurch erschüttert, dass der Beklagte, also Heinrich, intimen Umgang mit seiner Wirtschafterin Fräulein Katharina Franken unterhalte. Außerdem räume der Beklagte der Wirtschafterin Franken eine Stellung ein, die einer Ehefrau zukomme, er bevorzuge sie in der Öffentlichkeit in einem Maße, das alle Vorstellungen übersteige. Die Klägerin behalte sich vor, dazu weiter ins Detail zu gehen.
    Katty kannte den Text inzwischen so gut wie auswendig. Und immer noch stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie daran dachte, welche peinlichen und schlüpfrigen Vorwürfe Anna Maria ihnen

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