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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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gemacht hatte, zu denen Katty vor Gericht in aller Öffentlichkeit hatte Stellung nehmen müssen.
    Katty bemerkte, dass ihre Schwestern sie angesprochen hatten. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie es nicht gehört hatte.
    »Wie bitte?«, fragte sie.
    »Wann müssen wir los?«, wiederholte Gertrud, und Katty spürte, dass Paula sie schelmisch ansah.
    »Wo bist du denn gewesen in deinen Tagträumen? Du bist ja ganz rot. Legst du dir etwa schon Ausreden zurecht, falls Gertrud dich in Zukunft der wiederholten Unordnung bezichtigt?«, fragte sie auch prompt.
    »Erwischt«, Katty war froh, in die Gegenwart zurückgeholt zu werden, »aber sonst habe ich alles im Griff: Wir fahren in zwei Stunden in die Kirche. Ich habe dem Pfarrer gesagt, er soll das Hochamt nicht ausufern lassen. Ich will nicht, dass ihr so lange in der kalten Kirche sitzen müsst. Und dann fahren wir zurück auf den Hof und wollen mal sehen, wer alles kommt.«
    Die drei Schwestern verließen die Küche, jede ging auf ihr Zimmer, um sich fein zu machen für den großen Auftritt.

15. November 1949
Nichts als die Wahrheit
    Katty wurde als Erste aufgerufen. Sie betrat den Zeugenstand und machte unbeholfen einen Knicks vor dem hohen Gericht, weil sie nicht ganz sicher war, wie man hier grüßte.
    »Guten Tag, Fräulein Franken«, sagte der Richter des Landgerichts Kleve, »könnten Sie uns bitte Ihren vollständigen Namen, das Geburtsdatum und Ihre Adresse mitteilen?«
    »Katharina Franken, geboren am 5. März 1910, wohnhaft Tellemannshof in Wardt.« Der Richter hatte freundlich geklungen, trotzdem war Katty nervös. Sie hatte am Morgen lange überlegt, was sie anziehen sollte. Was trug man denn, wenn man als Hauptzeugin in einem Scheidungsprozess aussagen sollte? Katty hatte noch nie einem Scheidungsprozess beigewohnt, so etwas gab es nicht alle Tage, schon gar nicht mit so vielen Zeugen. Und eigentlich war sie nicht nur Zeugin. War sie nicht sogar inoffiziell die eigentlich Beschuldigte? Die Scheidungsklage richtete sich natürlich gegen Heinrich, doch, so war der Vorwurf, war er vor allem schuldig, ihr, der Zeugin Franken, hörig zu sein und mit ihr ein intimes Verhältnis zu pflegen. Katty kannte die Anschuldigungen, sie hatte bereits mehrfach vor Rechtsanwälten aussagen müssen. Diesmal aber sollte sie für ihre Aussagen sogar eine Erklärung unter Eid abgeben. Das hatte die Klägerin, Anna MariaBruhr, verlangt. Katty hatte furchtbare Angst, dass sie etwas Falsches sagte, denn eine Freiheitsstrafe von bis zu fünfzehn Jahren stand auf Meineid. Was, wenn man ihr nicht glaubte, wenn andere Zeugen gegen sie sprachen? Sie wusste nicht genau, wer alles vorgeladen war. Sie hatte in einem abgelegenen Raum allein warten müssen. Natürlich wusste sie, dass die anderen Haustöchter ebenfalls aussagen mussten, auch einige Nachbarn, vermutete sie, und Verwandte von Anna Maria. Ob es noch mehr Zeugen gab? Katty spielte nervös mit den Fingern. Plötzlich fürchtete sie, dass die Richter ihre Nervosität als Schuldgeständnis werten könnten.
    »Sind Sie mit der Klägerin oder dem Beklagten verwandt oder verschwägert?«
    »Nein.«
    »Sind Sie bereit, Ihre Aussage später auf Verlangen der Klägerin oder des Beklagten zu beeiden?«
    »Ja.«
    Heinrichs Anwalt hatte Katty geraten, immer kurz und knapp zu antworten. Sie solle sich nicht zu weitschweifenden Erklärungen hinreißen lassen. Je mehr sie aussage, desto mehr Fehler könne sie machen. Katty war gewillt, sich daran zu halten.
    »Die Klägerin wirft Ihnen vor, intimen Umgang mit dem Beklagten Heinrich Hegmann gehabt zu haben. Ist das richtig?« Katty versuchte, das Bild aus den letzten Kriegstagen zu verdrängen.
    »Das ist nicht richtig!«, antwortete sie. »Herr Hegmann und ich haben keinerlei intimen Umgang gepflegt.«
    »Hat er Ihnen eine Stellung im Haushalt eingeräumt, die eigentlich der Ehefrau zugestanden hätte, die er dieser aber verweigerte?«
    »Ich war als Hauswirtschafterin für alle Belange des Hofes zuständig, die landwirtschaftlicher Natur waren. Die Klägerinübernahm, sobald sie auf den Hof kam, das hausfrauliche Regiment. Und das begann direkt nach dem Ende der Hochzeitsreise.«
    »Die Klägerin behauptet, Sie hätten den Schlüssel für den Schrank mit alkoholischen Getränken behalten und sich nicht nur um die geschäftliche, sondern auch um die private Post des Hausherrn gekümmert.«
    »Im Hause Hegmann ist nichts abgeschlossen, deshalb kann ich keinen Schlüssel einbehalten

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