Wir sind doch Schwestern
untergekommen war, hatte sich Gertruds Verhältnis zu Heinrich ein wenig entspannt, glaubte Katty. Gertrud war nicht unbedingt ein regelmäßiger Gast in Wardt, sie legte auch keinen gesteigerten Wert darauf, Heinrich zu begegnen, aber wenn dies geschah, so waren beide ausgesucht höflich im Umgang miteinander. Die große Liebe war es nicht, doch vielleicht hatte Katty Gertrud inzwischen doch von Heinrichs Redlichkeit überzeugen können. Vielleicht lag die Zurückhaltung ihrer Schwester aber auch nur daran, dass Heinrich inzwischen ein bedeutender Mann war, jetzt nach der Wahl umso mehr. Heinrich wiederum bemühte sich um Gertruds Wohlwollen und hatte sie auch am heutigen Abend immer wieder nach ihrer Meinung gefragt. Katty war glücklich darüber, obwohl sie dem Burgfrieden nicht recht traute. Aber es reichte, wennes an einer Front im Hause Streit gab. Ein weiteres Schlachtfeld konnte sie nicht gebrauchen.
Kurz vor Mitternacht kam Anna Maria erneut ins Wohnzimmer. Sie hatte die Haare geöffnet und einen Morgenmantel über das Nachthemd gezogen. Vorwurfsvoll stand sie im Türrahmen und herrschte ihren Ehemann an.
»Wie lange willst du denn mit deinen Freunden dieses Saufgelage weitertreiben? Ist das etwa wichtiger als deine Ehefrau?«
Heinrich wurde kreidebleich. Er brauchte einige Sekunden, um seine Beherrschung zurückzugewinnen, dann sprach er in die Runde und entschuldigte sich.
»Es tut mir leid, Anna Maria ist sehr müde, nur so ist ihr unangemessenes Verhalten zu erklären. Geh ins Bett, Liebes. Wir reden morgen darüber.«
»Ich will, dass du jetzt mitkommst.«
»Nein, Liebes. Wir feiern meine Wahl zum Landtagsabgeordneten. Du kannst mir gerne gratulieren. Aber nun geh schlafen.« Heinrich sprach langsam und leise, was Katty signalisierte, wie wütend er über den Auftritt seiner Frau war.
Als Anna Maria sich zurückgezogen hatte, herrschte im Wohnzimmer peinliches Schweigen. Katty versuchte, die gute Stimmung wiederherzustellen, aber es gelang ihr nicht. Eine knappe Dreiviertelstunde später waren die Gäste verschwunden, auch Paula war zurück nach Empel gefahren, während es für Gertrud bis Duisburg zu weit war. Sie übernachtete auf dem Hof. Heinrich, Gertrud und Katty saßen im Wohnzimmer und schwiegen sich an. Schließlich stand Heinrich auf und empfahl sich.
Die Frauen warteten noch einen Moment, bis Heinrich hörbar das Badezimmer verlassen hatte, dann zogen sie sich dort zur Nacht um. Der Streit im Zimmer der Eheleute war nicht zu überhören, da das Badezimmer an Heinrichs Schlafzimmer grenzte. Katty verbot sich zu lauschen. Es reichte ihr, dass siesich nun bestimmt von Gertrud Vorhaltungen würde anhören müssen. Ihr war schon flau im Magen, denn sie wusste, was Gertrud sagen und dass sie in allen Punkten recht hätte würde.
»Sie tut mir leid«, begann Gertrud auch sofort, als sie im Bett lagen.
»Ja, aber sie benimmt sich unmöglich«, verteidigte sich Katty. »Warum muss sie Heinrich so blamieren und der ganzen Welt zeigen, dass sie sich nicht für seine Arbeit interessiert. Das war wirklich unverschämt.«
»Katty, hör auf. Ihr bringt das Mädchen um. Merkst du denn nicht, wie verzweifelt sie ist? Sie hat keine Chance gegen dich. Heinrich hängt an deinen Lippen. Er lacht mit dir, er diskutiert mit dir, du machst seine Post, du teilst seinen Erfolg. Und sie hat nichts.«
»Sie wird bald seine Kinder bekommen.«
»Und vermutlich wird Heinrich dann dir die Kinder geben, damit du sie erziehst. Er liebt dich und nicht sie, das musst du doch sehen. Ihr könnt diese Ménage-à-trois nicht weiterführen.«
»Ménage-à-trois – was erlaubst du dir?!«
»Jetzt tu nicht so unschuldig, du weißt genau, was ich meine. Eine von euch beiden muss gehen.«
»Heinrich kann sich nicht scheiden lassen. Es würde ihn seine Karriere kosten.«
»Wenn ihm seine Karriere wichtiger ist, dann musst du den Hof verlassen.«
»Die Diskussion hatten wir doch schon, ich werde niemals hier weggehen«, beharrte Katty und wünschte, sie könnten jetzt endlich schlafen. Doch Gertrud ließ nicht locker.
»Katharina, kleine Schwester, ich meine es nicht böse. Ich weiß, wie sehr du an diesem Haus hängst. Aber du stürzt euch alle drei ins Unglück. Anna Maria wird sich an dir rächen. Ich sorge mich um dich.«
»Auch um Heinrich? Warum kommst du inzwischen so selbstverständlich auf den Hof, wenn ich dich einlade? Früher hast du das nicht getan. Um mir anschließend eine Moralpredigt zu halten?«,
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