Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
Vom Netzwerk:
selbst auf die Schippe.
    »Ach du weißt doch, wie lange ich mir schon wünsche, dass du zu mir kommst. Ich bin einsam, wenn du mich nicht maßregelst«, sagte Katty in einer Mischung aus Rührung und Heiterkeit, die ihre Stimme brüchig werden ließ, was ihre Schwester aber glücklicherweise ignorierte.
    »Grund genug gibt es jedenfalls«, erwiderte Gertrud und fuchtelte mit ihrem langen knochigen Zeigefinger in gewohnter Manier vor Kattys Nase herum.
    Katty verzichtete auf eine Erwiderung. Es würde schon ein ordentliches Stück Arbeit werden. Dass Gertrud nämlich in einer Nacht vom Saulus zum Paulus geworden war, hielt Katty nun wirklich nicht für möglich. Wahrscheinlich würde sieüber kurz oder lang tatsächlich noch einmal den Arzt verprügeln, Piet beleidigen und Katty irgendwelche Manipulationsversuche unterstellen. Aber sie würde damit zurechtkommen. Mit einem normalen Maß an Schwesternliebe würde es ihr schon gelingen, Gertrud zu bändigen. Schließlich wusste sie, wie Gertrud tickte. Sie war immer nur garstig, wenn sie sich bei irgendetwas ertappt oder überrumpelt fühlte, dann stritt sie alles ab, log, schimpfte und war unausstehlich. Aber sobald man ihr die Möglichkeit gab, zur Ruhe zu kommen und selbstständig zu handeln, war sie sehr vernünftig. Und dann war sie auch wieder die geliebte große Schwester, so wie jetzt, an ihrem hundertsten Geburtstag. Es war schon immer so, dachte Katty. Jedes Mal, wenn sie Angst gehabt hatte, Gertrud könnte sich gegen sie stellen oder sich endgültig von ihr abwenden, hatte sie letztlich doch zu ihr gehalten. Blut war eben dicker als Wasser, und das würde sie in Zukunft ebenfalls beherzigen.
    »Was ist denn hier los?« Paula stieß zu ihnen in die kleine Wohnküche und tat überrascht, ihre beiden Schwestern Arm in Arm vorzufinden. »Gibt es etwas zu feiern, pöhöhö?«
    »Ja, stell dir vor, Gertrud wird in Zukunft hier wohnen. Das hat sie heute Nacht beschlossen. Wahrscheinlich glaubt sie, dass ich ihr künftig jeden Abend ein Feuerwerk organisiere«, versuchte Katty den Moment der Rührung vergessen zu machen.
    »Zuzutrauen wäre es dir jedenfalls«, stimmte Gertrud ein.
    »Großartig, das freut mich ganz ehrlich«, sagte Paula und klang dabei ausnahmsweise kein bisschen ironisch. Doch dann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. »Hättest du für mich vielleicht auch noch ein Zimmerchen im privaten Seniorenheim Wardt frei?«
    »Frag doch mal Jan. Vielleicht kannst du bei ihm schlafen«, sagte Katty lachend. »Aber wenn du ernsthaft für längere Zeitbleiben willst, renoviere ich dir das Zimmer von Theodor von Grund auf. Da wohnen ohnehin keine Pensionsgäste. Und Gertrud bekommt das große Zimmer hier unten neben dem Badezimmer.« Katty bemerkte einen schnellen Blick von Paula zu Gertrud. Sie wollte wohl prüfen, ob Gertrud Einwände gegen ihr zukünftiges Zimmer hatte, aber die schien heute nichts aus der Ruhe zu bringen.
    »Habe ich dir heute Morgen schon gratuliert, große Schwester?«, fragte Paula.
    »Nein, aber ich hoffe, ich lebe noch lange genug, bis du dich dazu bequemst, mir zu huldigen«, erwiderte Gertrud und ließ sich bereitwillig in den Arm nehmen.
    »Da ist man ja schon dankbar, dass man nicht vor dir auf die Knie fallen muss«, bemerkte Paula trocken.
    »Was ziehst du eigentlich heute an, an deinem Ehrentag? Soll ich schnell irgendetwas bügeln?«, fragte Katty.
    »Mein dunkelblaues Kleid mit der schönen Silberbrosche, das kommt frisch aus der Reinigung.«
    »Du wirst hinreißend aussehen. Hoffentlich ist genug Platz auf deinem Tanzkärtchen«, witzelte Paula, und die beiden verfielen in eine Plauderei über Mode, als wären sie Backfische. Katty hatte Mühe, dem Geplänkel der Schwestern zu folgen, denn Gertruds Kleiderwahl hatte sie an eine Stelle in dem Scheidungsordner erinnert, die sie in der Nacht gelesen hatte. »Das blaue Kleid mit der Silberbrosche« hatte auf einer Liste gestanden, die Anna Marias Rechtsanwalt auf den Tellemannshof geschickt hatte. Eine Liste mit den persönlichen Sachen von Frau Hegmann, die man bitte zusammenlegen möge, damit ihre Schwester, Lieschen Bruhr, sie abholen könne. Es war eine absurde Auflistung gewesen, mit allem, was Anna Maria auf den Hof mitgebracht zu haben glaubte. Darauf hatten ihre Zahnbürste, eine Puderdose, zwei Glühbirnen samt Präzisierung (75 und 100 Watt) und sogar ihr Nachttopf gestanden. Bei allem Elend hatten Heinrich und Katty darüber lachen müssen, als sie sich

Weitere Kostenlose Bücher